Geschichte der Stadt Weimar

Aus erfurt-web.de
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die druckbare Version wird nicht mehr unterstützt und kann Darstellungsfehler aufweisen. Bitte aktualisiere deine Browser-Lesezeichen und verwende stattdessen die Standard-Druckfunktion des Browsers.

Geschichte der Stadt Weimar

Die Goethestadt Weimar zählt mit ihren Klassiker- und Bauhausstätten zum UNESCO-Weltkulturerbe und blickt auf eine ereignisreiche Stadtgeschichte zurück.


WeimarCover.jpg

Weimar ist eine Kulturstadt mit internationaler Ausstrahlung. Als Kulturhauptstadt Europas 1999 konnte dies die beschauliche thüringische Stadt von 65.000 Einwohnern erneut eindrucksvoll unter Beweis stellen. Die meisten der zahlreichen Besucher aus aller Welt zieht es heute ins „Ilm-Athen“, um den Spuren der klassischen deutschen Literatur der „Goethezeit“ um 1800 und des 1919 gegründeten Bauhauses nachzugehen. Nicht ohne Grund stehen deren Erinnerungsstätten auf der UNESCO-Welterbeliste. Das symbolträchtige Doppeldenkmal von Goethe und Schiller vor dem Deutschen Nationaltheater erfreut sich großer Bekanntheit. Jene Mischung aus humanistischem „Geist der Weimarer Klassik“ und „Wiege der Moderne“ macht die große Anziehungskraft jener Stadt aus, in der 1919 von der Deutschen Nationalversammlung die Verfassung der Weimarer Republik erarbeitet wurde.

Der klassische Mythos Weimar wurde teils ganz bewusst von Künstlern, Fürsten und Bürgern mit Unterstützung vieler in- und ausländischer Bewunderer aufgebaut. Hier bildete sich vor dem Nationalstaat von 1871 die Kulturnation mit Weimar als „kultureller Hauptstadt Deutschlands“ heraus. Der Mythos Weimar wurde aber auch unter nationalistischer Übersteigerung in Frontstellung zur Moderne gebracht. Tiefpunkt war die Instrumentalisierung im Nationalsozialismus. Den Gipfeln deutscher Kultur standen in jener dunklen Zeit die Abgründe menschlicher Barbarei direkt gegenüber. Heute bekennt sich Weimar offen zu jener Janusköpfigkeit. In Nachbarschaft der einstigen „Muster-Gauhauptstadt“ des Dritten Reiches, zu der sich Adolf Hitler sehr hingezogen fühlte, befindet sich mit der Gedenkstätte Buchenwald der wichtigste Erinnerungsort an die NS-Gewaltherrschaft in Deutschland.

Weimar ist von seinen Funktionen als Residenzstadt und Verwaltungszentrum geprägt worden. Die wettinischen Herzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach legten im 18. Jahrhundert mit ihrer Kulturpolitik den Grundstein für den weltweiten Ruf der Stadt und schufen eine Residenzlandschaft mit Schlössern, Parks, Museen, Bibliotheken, Archiven und Theatern. Im 19. Jahrhundert folgte auf das „Goldene Zeitalter“ der Goethezeit ein „Silbernes Zeitalter“ mit der intensiven Pflege des klassischen Erbes und dem Wirken Franz Liszts. Der Sog der großherzoglichen Klassikerstadt, in der der Philosoph Friedrich Nietzsche seine letzten Lebensjahre verbrachte, zog immer wieder große Geister an.

Aber bereits seit dem 14. Jahrhundert hatten die Wettiner den vormaligen Herrschaftssitz der Grafen von Weimar-Orlamünde geprägt. Der Familienzweig der ernestinischen Kurfürsten von Sachsen rückte seine Residenz in den Brennpunkt der Reformation, woran viele Kulturschätze vom Cranach-Altar der Herderkirche bis zur Lutherbibel der Herzogin Anna Amalia Bibliothek erinnern. Martin Luther entwarf hier seine „Zweireiche-Lehre“. Nach dem Verlust der Kurwürde 1547 profilierten sich die nun auf Thüringen beschränkten Ernestiner als Wahrer des Luthertums und Kulturmäzene. Lange vor dem „Goldenen Zeitalter“ wurde in Weimar 1617 die Fruchtbringende Gesellschaft als bedeutendste deutsche Sprachgesellschaft des Barock gegründet und wirkte Johann Sebastian Bach als Hoforganist in der „Himmelsburg“.

Zeitweise in bis zu 10 Kleinstaaten aufgesplittert, schufen die Ernestiner zusammen mit den Schwarzburgern und Reußen in Thüringen jenes machtpolitisch bedeutungslose, aber kulturell umso glanzvollere „Land der Residenzen“, in dem Weimar herausragte. Mit der Novemberrevolution 1918 endeten die Jahrhunderte als Residenz. 1920 rückte Weimar zur Landeshauptstadt des aus sieben Kleinstaaten gebildeten Freistaates Thüringen auf, dem allerdings noch der preußische Regierungsbezirk Erfurt gegenüberstand. Nach 1933 übernahm die NSDAP-Gauhauptstadt Weimar zunehmend die Führungsrolle in ganz Thüringen.

1945 entstand erstmals ein umfassendes Land Thüringen in der SBZ bzw. DDR, dessen Hauptstadtrolle jedoch von Weimar an Erfurt wechselte. 1952 in die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl aufgeteilt, trat Thüringen mit Vollzug der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 als Bundesland (seit 1993 „Freistaat“) ins Leben. Bei der Wahl zur Landeshauptstadt musste sich Weimar zwar Erfurt geschlagen geben, erhielt aber mit dem Landesverwaltungsamt die oberste Landesbehörde. Als Kultur(haupt)stadt und UNESCO-Welterbestätte spielt es ohnehin eine herausgehobene Rolle im Freistaat.

Bei aller Konzentration auf die kulturhistorischen Traditionen und die „große Geschichte“ soll die Stadtgeschichte Weimars im engeren Sinne aber keineswegs zu kurz kommen. Von der Steinzeit mit ihren international bedeutsamen Funden über den Siedlungsmittelpunkt des Thüringer Königreiches im 5./6. Jahrhundert und die Herausbildung der mittelalterlichen Stadt mit ihrer urkundlichen Ersterwähnung als „Vvigmara“ 899 bis hin zur durchgreifenden Modernisierung im „Zeitalter der Extreme“ spannt sich der Bogen. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte finden dabei Berücksichtigung.


Steffen Raßloff: Geschichte der Stadt Weimar. Erfurt 2018 (Sutton Verlag). (erscheint Mai 2018)


Siehe auch: Geschichte Thüringens