Erfurter Unionsparlament 1850

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Erfurter Unionsparlament 1850

Das Erfurter Unionsparlament 1850 gilt als wichtiger Meilenstein der Demokratiegeschichte und des deutschen Einigungsprozesses. Hieran möchten zum 175. Jubiläum 2025 die Stadt Erfurt und die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte erinnern.


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Das Erfurter Unionsparlament vom 20. März bis 29. April 1850 sollte nach der gescheiterten Revolution 1848/49 die Verfassung für einen deutschen Nationalstaat "von oben" unter Führung Preußens und ohne Österreich ausarbeiten. Gemäßigte Liberale und der preußische König Friedrich Wilhelm IV. sowie einige Klein- und Mittelstaaten hatten sich auf diesen "kleindeutschen" Kompromiss geeinigt. Als Tagungsort richtete man das Augustinerkloster mit seiner Kirche (Abb. Stadtarchiv Erfurt) her, das als Lutherstätte für historische Aura sorgte. Die Liberalen hatten sich zuvor beim "Gothaer Nachparlament" im Juni 1849 beraten. Sie firmierten auch als Gothaer Liberale und besaßen in Erfurt die Mehrheit im Parlament.

Ein „Verein für die Verlegung des deutschen Parlaments nach Erfurt“, getragen von bürgerlichen Honoratioren um Karl Herrmann, hatte zuvor landesweit für die alte thüringische Metropole im Herzen Deutschlands geworben. Die seit 1802/15 preußische Stadt schien, wie noch einmal bei der Bewerbung um die Nationalversammlung 1919, auf dem Weg zum politischen Zentrum Deutschlands. Die Union, wesentlich vorangetrieben vom preußischen Spitzendiplomaten Joseph Maria von Radowitz, scheiterte jedoch rasch in der Olmützer Punktation vom 29. November 1850 am Widerspruch Österreichs und Russlands. Das in der Verfassung angestrebte "Deutsche Reich" sollte aber zwei Jahrzehnte später unter Regie Otto von Bismarcks, der als junger Konservativer am Erfurter Parlament teilgenommen hatte, dennoch mit der Reichsgründung 1871 zustande kommen.

Die an der Frankfurter Reichsverfassung von 1849 festhaltenden Demokraten hatten die Wahlen zum Unionsparlament boykottiert, die Konservativen lehnten die "Erfurter Union" als revolutionäre Abkehr von der legitimen Herrschaftsordnung im Parlament ab. Für die Liberalen bedeutete der Verlauf bis zur "Schmach von Olmütz" eine politische Niederlage. In der Erinnerung trat so das vermeintliche Übergangsprojekt zwischen Revolution und Reaktionsära in den Hintergrund. Das Erfurter Unionsparlament gilt jedoch heute mit seinen teils brillanten Debatten und dem kleindeutschen Verfassungsentwurf als wichtiger Meilenstein der Demokratiegeschichte und des deutschen Einigungsprozesses. In den Auseinandersetzungen um das Parlament konstituierten sich die Demokraten, Liberalen und Konservativen als die politischen Hauptströmungen. Hieran möchten zum 175. Jubiläum 2025 die Stadt Erfurt und die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte erinnern.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Gunther Mai (Hg.): Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850. Köln/Weimar/Wien 2000.

150 Jahre Erfurter Unionsparlament (1850–2000). Hg. vom Thüringer Landtag. Weimar 2000.

Jochen Lengemann: Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850. Ein Handbuch: Mitglieder, Amtsträger, Lebensdaten, Fraktionen. München/Jena 2000.

Steffen Raßloff: Bismarck und Erfurt. Vom konservativen Unionsparlamentarier zur nationalen Symbolfigur. In: Werner Greiling/Hans-Werner Hahn: Bismarck in Thüringen. Politik und Erinnerungskultur in kleinstaatlicher Perspektive. Weimar/Jena 2003. S. 115-133.

Steffen Raßloff: Bismarcks diplomatische Sporen. Das Erfurter Unionsparlament 1850. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 72 f.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Bismarck und die Union, Augustinerkloster, Revolution 1848, Karl Herrmann, Erfurter Bewerbung Nationalversammlung 1919, Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte