Erfurter Südseesammlung

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Erfurter Südseesammlung

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (03.03.2012)


Denkmal der exotischen Art

DENKMALE IN ERFURT (35): Erfurts Südseesammlung ist ein herausragendes Kulturdenkmal. Leider wird ihr und ihrem Schöpfer Wilhelm Knappe wenig Aufmerksamkeit zuteil.


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Denkmale müssen nicht immer aus Stein oder Bronze sein und auf belebten Plätzen stehen. Manches Kulturdenkmal entfaltet seine Wirkung eher im Verborgenen. Hierzu gehört auch einer der exotischsten Schätze der Stadt Erfurt. Rund 600 Objekte vom Alltagsgenstand über diverse Schmuck- und Kunstgegenstände bis hin zum sechs Meter langen Auslegersegelboot mit Bastsegeln umfasst die Erfurter Südseesammlung. Vieles hiervon ist von großem wissenschaftlichem Wert, da die Gegenstände wichtige Rückschlüsse auf die Menschen der Südsee vor der kulturellen Überformung durch die westliche Welt ermöglichen. So gibt es beispielsweise kein einziges weiteres erhaltenes „Walap“- Auslegersegelboot von den Marshallinseln – eine ethnologische Rarität von Weltrang (Abb. Stadtmuseum Erfurt).

1889 hatte der gebürtige Erfurter Dr. Wilhelm Knappe diese von ihm zusammengetragene Sammlung an das städtische Museum verkauft. Knappe war als Kaiserlicher Kommissar und Konsul u.a. auf den Marshallinseln und auf Samoa aktiv. Mit dem vorurteilslosen Blick des völkerkundlich interessierten Diplomaten sammelte er nicht nur Schmuck und Trophäen für die ferne Heimat. Vielmehr zeugen gerade die vielen Alltagsgegenstände vom Interesse für die Kultur der Einheimischen, für die sich Knappe auch dienstlich einsetzte. Obwohl er 1889 auf Samoa in einen unglücklichen kriegerischen Konflikt verwickelt war, galt er auch später als Generalkonsul in China nicht als säbelrasselnder Kolonialist. Zeitgenossen und heutige Forscher zollten und zollen ihm Respekt.

Seine in der DDR-Zeit in Vergessenheit geratene Sammlung erlebte im Jahre 2005 mit der Sonderausstellung in der Kunsthalle „Reisen ins Paradies“ eine großartige Renaissance. Zuvor war die heute zum Museum für Thüringer Volkskunde gehörende Sammlung fachlich aufgearbeitet und restauriert worden. Es erschienen ein Ausstellungskatalog und eine Knappe-Biographie. Das Echo weit über Thüringen und Deutschland hinaus war beachtlich.

Seither ist es allerdings wieder ruhig geworden um die Erfurter Südseesammlung und ihren Schöpfer. Sie kann heute an drei Wochentagen mit eingeschränkten Öffnungszeiten im Schaudepot Benaryspeicher besichtigt werden. (Aktuell gibt es überhaupt keine regelmäßigen Öffnungszeiten mehr, SR) Knappe hat sich nach Ansicht des Kulturausschusses des Stadtrates nicht genügend Verdienste für eine öffentliche Würdigung erworben. Den von Geschichtsverein und Universität gestellten Antrag auf einen Straßennamen lehnte man in seinem 100. Todesjahr 2010 überraschend ab. Die Einschätzung von Wissenschaftlern bezüglich der wertvollen Erfurter Sammlung und des verdienten Hobby-Ethnologen konnte die Mehrheit der Stadträte nicht überzeugen.


Literaturtipps:

Marina Moritz/Kai Uwe Schierz (Hg.): Reisen ins Paradies. Die Erfurter Südseesammlung im Spiegel der Kunst. Erfurt 2005.

Steffen Raßloff: Wilhelm Knappe (1855-1910). Staatsmann und Völkerkundler im Blickpunkt deutscher Weltpolitik. Jena 2005.

Steffen Raßloff: 100 Denkmale in Erfurt. Geschichte und Geschichten. Mit Fotografien von Sascha Fromm (Thüringen Bibliothek. Bd. 11). Essen 2013.


Siehe auch: Wilhelm Knappe, Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurter Museumsgeschichte, Benaryspeicher


> umstrittene Ausstellung zu Kolonialismus in Erfurt