Die Thüringer: Unterschied zwischen den Versionen

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"Die Thüringer" (1): Menschen siedelten im Raum der späteren Stadt Erfurt bereits seit der Altsteinzeit
"Die Thüringer" (1): Menschen siedelten im Raum der späteren Stadt Erfurt bereits seit der Altsteinzeit


[[Datei:Thüringenlogo.jpg|180px|right]]Erfurt gilt als die alte Metropole Thüringens, die bereits in der prähistorischen Zeit von Menschen besiedelt wurde. Die ältesten Kulturzeugnisse reichen bis in die Altsteinzeit zurück. In der Eisenzeit gaben ihr zunächst die Kelten das Gepräge, ehe diese mit Einsetzen der historischen Überlieferung von den Germanen verdrängt wurden.
[[Datei:Thüringenlogo.jpg|180px|right]]Erfurt gilt als die alte Metropole Thüringens, die bereits in der prähistorischen Zeit von Menschen besiedelt wurde. Die ältesten Kulturzeugnisse reichen bis in die Altsteinzeit zurück. In der Eisenzeit gaben ihr zunächst die Kelten das Gepräge, ehe diese mit Einsetzen der historischen Überlieferung von den Germanen verdrängt wurden.

Version vom 11. Juli 2012, 12:50 Uhr

Erfurt und die "alten Thüringer"

Ausgewählte Beiträge aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (veröffentl. 2009)


Die ältesten Erfurter

"Die Thüringer" (1): Menschen siedelten im Raum der späteren Stadt Erfurt bereits seit der Altsteinzeit


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Erfurt gilt als die alte Metropole Thüringens, die bereits in der prähistorischen Zeit von Menschen besiedelt wurde. Die ältesten Kulturzeugnisse reichen bis in die Altsteinzeit zurück. In der Eisenzeit gaben ihr zunächst die Kelten das Gepräge, ehe diese mit Einsetzen der historischen Überlieferung von den Germanen verdrängt wurden.

Von den ältesten Erfurtern wissen wir recht wenig. Steingeräte sind nahezu die einzigen Zeugnisse, die sie uns hinterlassen haben. Auf stolze 30.000 Jahre vor Christus wird der älteste steinzeitliche Fund datiert, weiß Kustodin Gudrun Noll vom Stadtmuseum “Haus zum Stockfisch” zu berichten. Es handelt sich um einen Faustkeil, genauer eine Handspitze, die u.a. zur Fell- und Knochenbearbeitung diente. Ihre Benutzer zogen als Jäger und Sammler umher und siedelten nicht dauerhaft an den Hängen rund um die sumpfige Geraniederung.

Erst mit dem Übergang zur Jungsteinzeit um 5000 vor Christus kam es auch im Erfurter Raum zum entscheidenden Wandel hin zu Ackerbau und Viehzucht. Auf den fruchtbaren Ebenen oberhalb der Gera-Aue siedelten jetzt sesshafte Bauern, von denen zahlreiche Zeugnisse einer weiter entwickelten Kultur überliefert sind. Es finden sich Gräberfelder mit reichen Beigaben, Werkzeuge wie Steinbeile, Äxte, Hacken oder Kornquetschen. Es sind aber die kunstvoll verzierten Keramikgefäße, die den namenlosen Völkern ihren Platz in der Frühgeschichte als Bandkeramiker, Becherkulturen oder Schnurkeramiker sichern.

Mit der Bronzezeit ab 2100 vor Christus macht die kulturelle Entwicklung der Menschheit einen weiteren Sprung. Die Metallverarbeitung brachte ganz neue Erzeugnisse hervor, die als Schmuck, Werkzeuge oder Waffen im Stadtmuseum aufbewahrt werden. Zugleich begann sich die Gesellschaft unserer Urahnen stärker auszudifferenzieren. Dies lässt sich nicht zuletzt aus den bedeutenden Grabfunden rund um Erfurt ablesen. Der Übergang zur Eisenzeit um 800 vor Christus beschleunigte diese Entwicklung weiter. Mit dem härteren Metall ließen sich sehr viel effizientere Waffen und Werkzeuge herstellen.

In der letzten Phase der Eisenzeit bis zur Zeitenwende tauchen erstmals zwei große, namentlich bekannte Völker auf, die Thüringen fortan prägen sollten. Die Kelten und Germanen siedelten über längere Zeit gemeinsam in der Region, ohne dass Historiker und Archäologen dies mit letzter Sicherheit rekonstruieren könnten. Die nachweislichen Siedlungsschwerpunkte der Kelten lagen im Süden und Südosten Thüringens, beeindruckendstes Denkmal ist die Steinsburg auf dem Kleinen Gleichberg bei Römhild.

Seit dem 2. Jahrhundert vor Christus drängten Germanen die Kelten nach Süden zurück und besiedelten auch den Erfurter Raum. Vom griechischen Geographen Strabon erfahren wir erstmals ihren Namen: Hermunduren. Die Hermunduren besaßen eine eigene reiche Kultur und standen in regem Austausch mit dem Römern, wie eine Reihe von archäologischen Funden im Stadtgebiet zeigt. Die Funde belegen auch, dass sich durch die häufigen kriegerischen Auseinandersetzung jener Zeit ein Kriegsadel herausbildete. Damit begann jener Prozess der Stammesbildung der Thüringer, der im 5. und 6. Jahrhundert im Thüringer Königreich seinen Höhepunkt und im Erfurter Raum eines seiner Machtzentren finden sollte.

(TA vom 03.01.2009)


Machtzentrum der "alten Thüringer"

"Die Thüringer" (2): Erfurt bildete schon im Königreich der Thüringer einen wichtigen Herrschaftsschwerpunkt

Thüringen kann auf rund 1500 Jahre Geschichte zurück blicken. Am Beginn stand das mächtige Königreich der Thüringer im 5. und 6. Jahrhundert. Die heutige Landeshauptstadt Erfurt gehörte schon damals zu den Machtzentren, wie archäologische Ausgrabungen belegen. Hier wurde 2006 auch in einer international beachteten Ausstellung die heilige Radegunde gewürdigt, letzte Vertreterin des thüringischen Königshauses.

Das alte Volk der Thüringer ist aus dem Zusammenschluss verschiedener germanischer Stämme entstanden und wird im späten 4. Jahrhundert erstmals in einer römischen Schrift erwähnt. Als Thüringer Königreich stieg es im 5. und 6. Jahrhundert zu einem wichtigen Machtfaktor in Mitteleuropa auf. Unter König Herminafried spielte es nach 500 als Verbündeter des Ostgotenreiches von Theoderich dem Großen eine zentrale Rolle. Sein Einflussbereich reichte vom Harz bis zu Main und Donau, von der Fulda bis zur mittleren Elbe.

Den Kernraum dieses Germanenreiches bildete das heutige Thüringer Becken. Erfurt stellte ein herausragendes Machtzentrum dar. Ausgrabungen im Stadtgebiet belegen die Ansiedlung einer reichen und mächtigen Adelsschicht. Beeindruckend sind etwa die Funde eines Gräberfeldes bei Gispersleben. Die Schmuckfibeln, reich verzierte Gewandverschlüsse, und wertvolles Geschirr aus Metall lassen die Prachtentfaltung unter der Führungsschicht der alten Thüringer erahnen. Auf edle Herkunft verweist auch das Grab einer jungen Frau am Kleinen Roten Berg, die reich mit Schmuck versehen auf einem zweirädrigen Wagen bestattet wurde. Diverse Waffen in männlichen Gräbern zeigen die Bedeutung des Adels als Heerführer in jener bewegten Zeit, die von ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt war.

Auf dem Schlachtfeld wurde auch der Untergang des Thüringerreiches besiegelt. Mit dem Tode des legendären Ostgotenkönigs Theoderich 526 verloren die Thüringer ihren wichtigsten Bündnispartner. Die neue starke Macht waren die aus Westen vordringenden Franken. An einem nicht näher lokalisierbaren Ort an der Unstrut kam es 531 zur Entscheidungsschlacht. Nicht weit von Erfurt wurden die Thüringer vernichtend geschlagen, ihre Leichen sollen den Fluss verstopft haben. König Herminafried konnte zwar entkommen, fiel aber 534 einem Mordanschlag der Franken zum Opfer. Thüringen wurde Teil des Frankenreiches, aus dessen Osthälfte später das Deutsche Reich hervor ging.

Mit dem Untergang des Thüringerreiches verbunden war der Aufstieg der letzten Vertreterin des Königshauses zu einer der großen Heiligengestalten des frühen Christentums. Frankenkönig Chlothar I. hatte 531 die Nichte Herminafrieds als “Kriegsbeute” verschleppt, um so seinen Anspruch auf die Herrschaft über Thüringen zu untermauern. Jene Radegunde von Thüringen musste 540 Chlothar heiraten. Sie trennte sich aber später von ihrem Gemahl, der auch ihren Bruder hatte umbringen lassen. Als Gründerin des Klosters von Poitiers und Heilige genießt Radegunde heute in Frankreich noch immer große Verehrung. In einer international beachteten Ausstellung hat das Erfurter Stadtmuseum “Haus zum Stockfisch” 2006 an jenes “Frauenschicksal zwischen Mord und Askese” erinnert.

(TA vom 21.02.2009)


Apostel der Deutschen

"Die Thüringer" (3): Dem angelsächsischen Missionar Bonifatius verdankt Erfurt seine urkundliche Ersterwähnung

Von 725 an versuchte der Missionsbischof Bonifatius im Auftrag des Papstes und mit Unterstützung der fränkischen Karolinger-Hausmeier die ins Stocken geratene Christianisierung in Thüringen voran zu treiben. Als Abschluss dieses Prozesses erhob er 742 den Zentralort Erfurt zum Bistumssitz.

Der bekannte Missionar Bonifatius war um 672 als Sohn wohlhabender Großbauern im Königreich Wessex in Südengland geboren und auf den Namen Winfried getauft worden. Schon als Siebenjähriger trat er ins Kloster ein. Ab 718 widmete sich der angesehene Mönch und Abt auf dem europäischen Festland der Missionierung. Als “Apostel der Deutschen” hat er im 8. Jahrhundert auch wesentlich an der Christianisierung Thüringens mitgewirkt.

725 begann er damit, die 200 Jahre zurückreichenden Ansätze des Christentums zu stärken und den heidnischen Glauben zurück zu drängen. 742 gründetete Bonifatius das Bistum Erfurt, das jedoch bald darauf an Mainz angegliedert wurde. Dennoch beginnt hiermit die Stellung Erfurts als kirchliches Zentrum in Thüringen, das heute Sitz eines katholischen Bistums und bald auch der evangelischen Kirchenverwaltung in Mitteldeutschland ist. Sinnfällig kommt dies im imposanten Dom zu Ausdruck, an dessen Stelle man die erste Kirche des Bonifatius vermutet, auch wenn sich dies archäologisch nicht nachweisen lässt. Der sogenannte Bonifatiusturm an der Severikirche freilich stammt trotz seines Namens als Teil einer Befestigung des Domberges erst aus dem 12. Jahrhundert.

Die Bistumsgründung 742, genauer gesagt ein entsprechender Brief an Papst Zacharias II. mit der Bitte um Bestätigung, stellt zugleich die urkundliche Ersterwähnung von “Erphesfurt” dar. Damit rückte Bonifatius Erfurt ins Licht der schriftlich überlieferten Geschichte. Die Erfurter dankten ihm dies u.a. mit der Verewigung im 1882 vollendeten Wandbildzyklus im Rathausfestsaal, der historische Schlüsselszenen der Stadtgeschichte aufgreift.

Dargestellt wird symbolisch die Verdrängung des heidnischen Glaubens durch den christlichen Missionar. Die legendäre Fällung einer Eiche im Steiger, die dem germanischen Gott Donar geweiht war, wird von der Geschichtsschreibung freilich eher im hessischen Geismar angesiedelt, wie es schon in der zeitgenössischen Biographie Willibalds von Mainz zu lesen steht. Spärliche Quellenlage und Reiz der weit verbreiteten Sage mögen es aber verzeihlich machen, wenn die Erfurter dieses Ereignis für sich in Anspruch nehmen. Im Vordergrund gelingt es Bonifatius, Bewohner der “Stadt heidnischer Bauern”, wie es im Papstbrief von 742 heißt, angesichts der ausbleibenden Strafe durch den Donnergott vom Wort Gottes zu überzeugen. Im Hintergrund wenden sich erzürnte Anhänger des alten Glaubens ab, was für den keineswegs reibungslosen Prozess der Christianisierung steht. Bonifatius selbst wurde 754 von heidnischen Friesen erschlagen. Das Erfurter Stadtmuseum nahm dies genau 1250 Jahre später zum Anlass, den Missionar mit der viel beachteten Sonderausstellung “Bonifatius - zwischen Heidenopfern und Christuskreuz” 2004 zu würdigen.

(TA vom 25.04.2009)


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Geschichte Thüringens