Debatte Mohrengasse Erfurt 2021

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Rassistische Idioten?

Es gibt gute Gründe gegen eine Umbenennung der Erfurter Mohrengasse. Ein Beitrag zur Debatte um Rassismus in der Sprache.


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Die Antirassismus-Bewegung nimmt auch in Thüringen deutlich Fahrt auf. Jüngst wurde gefordert, die Mohrengasse in der Erfurter Altstadt umzubenennen, weil sich farbige Mitbürger von diesem Namen diskriminiert fühlen könnten. Begleiterscheinung ist hierbei wie vielerorts die sogenannte Cancel Culture, das diskreditierende Vorgehen gegen Personen, die sich gegen diese Identitätspolitik stellen. Ein Musterbeispiel bietet der „Salon“ des Berliner Journalisten Matthias Dell vom vergangenen Samstag (Thüringer Allgemeine 31.07.2021). Dort wird TA-Kolumnist Henryk Goldberg aufs Korn genommen, weil er Skepsis über die Mohren-Kampagne geäußert hatte. Abschließend heißt es: „Respekt, Anerkennung, Weiterbildung, eigentlich ganz einfach. Und vor allem: Fehler nicht zugeben und nicht verbessern zu wollen, das machen doch tatsächlich nur Idioten.“

Laut Dell sind also Skeptiker von bestimmten Zielen und Methoden der Antirassismus-Bewegung Idioten. Es gibt, abgesehen vom rüden Ton, durchaus Gegenargumente zu dieser Sicht. So hat sich Prof. Karl Heinemeyer, Mittelalterexperte und Vorsitzender des Erfurter Geschichtsvereins, wissenschaftlich mit der langen Geschichte der Mohrengasse befasst und kommt zu dem Fazit: „Mit Rassismus hat ihr Name nichts zu tun.“ Es gibt in Europa viele Mohren-Namen für Häuser, Gasthöfe, Apotheken usw. Der Mohr ist auch in vielen Kunstwerken zu finden. Oft geht er auf den heiligen Mauritius zurück, dem die Erfurter Moritzkirche geweiht war. Das Angermuseum verfügt, so Historiker Tim Erthel, über eine eindrucksvolle Holzfigur aus dieser Kirche, die die Verehrung des Heiligen deutlich spiegelt (Foto: Angermuseum Erfurt, Dirk Urban).

Ähnliches gilt für die heute vielfach angefeindeten Mohren-Apotheken. Sie „erhielten nicht deshalb diesen Namen, weil man Menschen herabwürdigen wollte. Im Gegenteil: Wissen und Waren aus dem Orient und Nordafrika waren in Europa und Deutschland von großem Wert“, so Historiker Dr. André Postert vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden (Cicero 09.08.2020). Der im christlich-mittelalterlichen Kontext positiv belegte Begriff „Mohr“ ist also vom abschätzigen „Neger“ des Kolonialzeitalters zu unterscheiden. Und er wird heute nicht als rassistischer Kampfbegriff genutzt.

Doch solche Argumente verfangen bei der Antirassismus-Bewegung nicht, wie auch der Bamberger Sprachwissenschaftler Prof. Helmut Glück feststellt: „Der ‚Mohr‘ ist altertümlich, aber nicht rassistisch, doch das will eine kleine, aber lautstarke Minderheit nicht wahrhaben.“ (FAZ 23.07.2020) Mit Blick auf die 2020 umbenannte Berliner Mohrenstraße kann man MDR-Hauptstadtkorrespondent Tim Herden zustimmen: „Einfach Straßennamen zu tilgen und durch neue zu ersetzen, hat was von Bilderstürmerei und ist meist nur ein Reflex auf den Zeitgeist, statt sich mit dem Geist der Zeit der Namensgeber auseinanderzusetzen.“ (MDR Aktuell 06.09.2020) Im Gegensatz zu Berlin haben jüngst die Stadträte in Gotha, Ulm und Radebeul nach gründlicher Abwägung die Umbenennung der dortigen Mohrengasse bzw. Mohrenstraße abgelehnt. Waren dabei lauter rassistische Idioten am Werke?

Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 03.08.2021


Siehe auch: Mohrengasse, Mohren-Apotheke