Bonifatius: Unterschied zwischen den Versionen

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= Bonifatius =
= Missionar Bonifatius =


'''Missionar (672/75-754), "Aposter der Deutschen"'''
'''Beitrag der Serie [[Wandbilder_zur_Stadtgeschichte_im_Rathausfestsaal|Wandbilder im Rathausfestsaal]] von [[Steffen Rassloff|Dr. Steffen Raßloff]] (2007)'''  


'''Sorgte mit der Gründung des Bistums Erfurt 742 für die Ersterwähnung der Stadt'''


'''Erphesfurts Schritt in die Geschichte'''


[[Datei:Bonifatius.jpg|400px|right]]Der bekannte Missionar Bonifatius war um 672 als Sohn wohlhabender Großbauern im Königreich Wessex in Südengland geboren und auf den Namen Winfried getauft worden. Schon als Siebenjähriger trat er ins Kloster ein. Ab 718 widmete sich der angesehene Mönch und Abt auf dem europäischen Festland der Missionierung. Als "Apostel der Deutschen" hat er im 8. Jahrhundert auch wesentlich an der Christianisierung '''[[Geschichte Thüringens|Thüringens]]''' mitgewirkt.
Die Wandbilder im Rathausfestsaal (2): Missionar Bonifatius


725 begann er damit, die 200 Jahre zurückreichenden Ansätze des Christentums zu stärken und den heidnischen Glauben zurück zu drängen. 742 gründetete Bonifatius das Bistum '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]''', das jedoch bald darauf an Mainz angegliedert wurde. Dennoch beginnt hiermit die Stellung Erfurts als kirchliches Zentrum in Thüringen, das heute Sitz eines katholischen Bistums und bald auch der evangelischen Kirchenverwaltung in Mitteldeutschland ist. Sinnfällig kommt dies im imposanten Dom zu Ausdruck, an dessen Stelle man die erste Kirche des Bonifatius vermutet, auch wenn sich dies archäologisch nicht nachweisen lässt. Der sogenannte Bonifatiusturm an der Severikirche freilich stammt trotz seines Namens als Teil einer Befestigung des Domberges erst aus dem 12. Jahrhundert.


Die Bistumsgründung 742, genauer gesagt ein entsprechender Brief an Papst Zacharias II. mit der Bitte um Bestätigung, stellt zugleich die urkundliche Ersterwähnung von "Erphesfurt" dar. Damit rückte Bonifatius Erfurt ins Licht der schriftlich überlieferten Geschichte. Die Erfurter dankten ihm dies u.a. mit der Verewigung im 1882 vollendeten '''[[Wandbilder_zur_Stadtgeschichte_im_Rathausfestsaal|Wandbildzyklus]]''' im Rathausfestsaal, der historische Schlüsselszenen der Stadtgeschichte aufgreift (siehe Abb.).
[[Datei:Bonifatius.jpg|380px|right]]Der angelsächsische Missionar Bonifatius hat als “Apostel der Deutschen” im 9. Jahrhundert wesentlich an der Christianisierung Thüringens mitgewirkt. Als Ergebnis langjähriger Tätigkeit gründete er 742 das Bistum Erfurt, das jedoch bald darauf an Mainz angegliedert wurde. Dennoch begründete Bonifatius hiermit die Stellung Erfurts als kirchliches Zentrum in Thüringen, das heute wieder Sitz eines katholischen Bistums und vielleicht zukünftig auch der evangelischen Kirchenverwaltung für Mitteldeutschland ist.


Dargestellt wird symbolisch die Verdrängung des heidnischen Glaubens durch den christlichen Missionar. Die legendäre Fällung einer Eiche im Steiger, die dem germanischen Gott Donar geweiht war, wird von der Geschichtsschreibung freilich eher im hessischen Geismar angesiedelt, wie es schon in der zeitgenössischen Biographie Willibalds von Mainz zu lesen steht. Spärliche Quellenlage und Reiz der weit verbreiteten Sage mögen es aber verzeihlich machen, wenn die Erfurter dieses Ereignis für sich in Anspruch nehmen. Im Vordergrund gelingt es Bonifatius, Bewohner der "Stadt heidnischer Bauern", wie es im Papstbrief von 742 heißt, angesichts der ausbleibenden Strafe durch den Donnergott vom Wort Gottes zu überzeugen. Im Hintergrund wenden sich erzürnte Anhänger des alten Glaubens ab, was für den keineswegs reibungslosen Prozess der Christianisierung steht. Bonifatius selbst wurde 754 von heidnischen Friesen erschlagen. Das Erfurter '''[[Stadtmuseum Erfurt|Stadtmuseum]]''' nahm dies genau 1250 Jahre später zum Anlass, den Missionar mit der viel beachteten Sonderausstellung "Bonifatius - zwischen Heidenopfern und Christuskreuz" 2004 zu würdigen.
Die Bistumsgründung 742, genauer gesagt ein entsprechender Brief an Papst Zacharias mit der Bitte um Bestätigung, stellt zugleich die urkundliche Ersterwähnung von “Erphesfurt” dar, das schon lange eine “Stadt heidnischer Bauern” gewesen sei. Auch in diesem Sinne steht Bonifatius am Beginn, legte Erfurt mit ihm seinen ersten Schritt in die schriftlich belegte Geschichte zurück. Daher stellte Historienmaler Prof. Peter Janssen, beraten von einer Kommission geschichtskundiger Erfurter, den Missionar im Rathausfestsaal an den Anfang des 1882 vollendeten Wandbildzyklus`.


Dargestellt wird die legendäre Fällung einer Eiche im Steiger, die dem germanischen Gott Donar geweiht war. Im Vordergrund gelingt es Bonifatius offenbar, Bewohner der “Stadt heidnischer Bauern” angesichts der ausbleibenden Strafe durch den Donnergott vom Wort Gottes zu überzeugen. Im Hintergrund wenden sich erzürnte Anhänger des alten Glaubens ab, was für den keineswegs reibungslosen Prozess der Christianisierung steht - Bonifatius selbst wurde 754 von heidnischen Friesen erschlagen. Die Geschichtsschreibung verlegt die Fällung der Donareiche freilich eher ins hessische Geismar nahe der Büraburg, wie es schon in der zeitgenössischen Biographie Willibalds von Mainz zu lesen steht. Spärliche Quellenlage und Reiz der weit verbreiteten Sage mögen es aber verzeihlich machen, wenn die Erfurter dieses Ereignis für sich in Anspruch nahmen und nehmen.


(Text: '''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')
Der mutige Missionar und Baumfäller steht im Rathausfestsaal unverkennbar als Symbolfigur für das siegreiche Christentum. Seine unerschütterliche Gestalt täuscht allerdings im späten 19. Jahrhundert über dessen Erosionsprozess hinweg. Zwar bekannten sich noch fast alle Erfurter offiziell zum christlichen Glauben, gut 80 Prozent waren evangelisch. In der Lutherstadt kämpfte aber keineswegs mehr jeder für “Kaiser, Gott und Vaterland”. Die aufstrebende Arbeiterbewegung setzte dem Christentum eine nichtreligiöse Weltsicht entgegen. Auch für manchen Bürger hatte seine Verbindlichkeit nachgelassen. Vielmehr bildete die Nation, das Deutsche Kaiserreich von 1871, jetzt den obersten ideellen Bezugspunkt, wenngleich “Thron und Altar” für viele preußisch-kaisertreue Erfurter noch zusammen gehörten. Insbesondere der Protestantismus ist seither stark ausgehöhlt worden. Das Ende des Kaiserreiches mit seinen privilegierten Landeskirchen 1918, zwei antikirchliche Diktaturen und die Zeit nach der Wende von 1989/90 haben den Anteil der evangelischen Bevölkerung dramatisch zurück gehen lassen. Heute bekennt sich eine deutliche Mehrheit der Erfurter zu keiner Konfession mehr. Gleichwohl sollte man sich der christlichen Wurzeln auch unserer Stadtgeschichte bewusst bleiben.




Siehe auch: '''[[Bonifatius_Donar-Eiche_Erfurt|Wandbild zu Bonifatius im Rathausfestsaal]]'''
'''Lesetipp:'''
 
Steffen Raßloff: '''Ohnmächtiger Donnergott. Bonifatius und die Christianisierung.''' In: '''[[Erfurt 55 Highlights aus der Geschichte|Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2021. S. 12 f.
 
 
Siehe auch: '''[[Missionar_Bonifatius_Thueringen|Bonifatius und Thüringen]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Rathaus Erfurt|Rathaus]]'''

Aktuelle Version vom 1. Oktober 2022, 11:50 Uhr

Missionar Bonifatius

Beitrag der Serie Wandbilder im Rathausfestsaal von Dr. Steffen Raßloff (2007)


Erphesfurts Schritt in die Geschichte

Die Wandbilder im Rathausfestsaal (2): Missionar Bonifatius


Bonifatius.jpg

Der angelsächsische Missionar Bonifatius hat als “Apostel der Deutschen” im 9. Jahrhundert wesentlich an der Christianisierung Thüringens mitgewirkt. Als Ergebnis langjähriger Tätigkeit gründete er 742 das Bistum Erfurt, das jedoch bald darauf an Mainz angegliedert wurde. Dennoch begründete Bonifatius hiermit die Stellung Erfurts als kirchliches Zentrum in Thüringen, das heute wieder Sitz eines katholischen Bistums und vielleicht zukünftig auch der evangelischen Kirchenverwaltung für Mitteldeutschland ist.

Die Bistumsgründung 742, genauer gesagt ein entsprechender Brief an Papst Zacharias mit der Bitte um Bestätigung, stellt zugleich die urkundliche Ersterwähnung von “Erphesfurt” dar, das schon lange eine “Stadt heidnischer Bauern” gewesen sei. Auch in diesem Sinne steht Bonifatius am Beginn, legte Erfurt mit ihm seinen ersten Schritt in die schriftlich belegte Geschichte zurück. Daher stellte Historienmaler Prof. Peter Janssen, beraten von einer Kommission geschichtskundiger Erfurter, den Missionar im Rathausfestsaal an den Anfang des 1882 vollendeten Wandbildzyklus`.

Dargestellt wird die legendäre Fällung einer Eiche im Steiger, die dem germanischen Gott Donar geweiht war. Im Vordergrund gelingt es Bonifatius offenbar, Bewohner der “Stadt heidnischer Bauern” angesichts der ausbleibenden Strafe durch den Donnergott vom Wort Gottes zu überzeugen. Im Hintergrund wenden sich erzürnte Anhänger des alten Glaubens ab, was für den keineswegs reibungslosen Prozess der Christianisierung steht - Bonifatius selbst wurde 754 von heidnischen Friesen erschlagen. Die Geschichtsschreibung verlegt die Fällung der Donareiche freilich eher ins hessische Geismar nahe der Büraburg, wie es schon in der zeitgenössischen Biographie Willibalds von Mainz zu lesen steht. Spärliche Quellenlage und Reiz der weit verbreiteten Sage mögen es aber verzeihlich machen, wenn die Erfurter dieses Ereignis für sich in Anspruch nahmen und nehmen.

Der mutige Missionar und Baumfäller steht im Rathausfestsaal unverkennbar als Symbolfigur für das siegreiche Christentum. Seine unerschütterliche Gestalt täuscht allerdings im späten 19. Jahrhundert über dessen Erosionsprozess hinweg. Zwar bekannten sich noch fast alle Erfurter offiziell zum christlichen Glauben, gut 80 Prozent waren evangelisch. In der Lutherstadt kämpfte aber keineswegs mehr jeder für “Kaiser, Gott und Vaterland”. Die aufstrebende Arbeiterbewegung setzte dem Christentum eine nichtreligiöse Weltsicht entgegen. Auch für manchen Bürger hatte seine Verbindlichkeit nachgelassen. Vielmehr bildete die Nation, das Deutsche Kaiserreich von 1871, jetzt den obersten ideellen Bezugspunkt, wenngleich “Thron und Altar” für viele preußisch-kaisertreue Erfurter noch zusammen gehörten. Insbesondere der Protestantismus ist seither stark ausgehöhlt worden. Das Ende des Kaiserreiches mit seinen privilegierten Landeskirchen 1918, zwei antikirchliche Diktaturen und die Zeit nach der Wende von 1989/90 haben den Anteil der evangelischen Bevölkerung dramatisch zurück gehen lassen. Heute bekennt sich eine deutliche Mehrheit der Erfurter zu keiner Konfession mehr. Gleichwohl sollte man sich der christlichen Wurzeln auch unserer Stadtgeschichte bewusst bleiben.


Lesetipp:

Steffen Raßloff: Ohnmächtiger Donnergott. Bonifatius und die Christianisierung. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 12 f.


Siehe auch: Bonifatius und Thüringen, Geschichte der Stadt Erfurt, Rathaus