Bonifatius: Unterschied zwischen den Versionen

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= Missionar Bonifatius =


'''Missionar'''<br>
'''Beitrag der Serie [[Wandbilder_zur_Stadtgeschichte_im_Rathausfestsaal|Wandbilder im Rathausfestsaal]] von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]] (2007)'''  
'''geboren 672 oder 675 zu Crediton in Wessex''' <br>
'''ermordet am 05.06.754 am Fluss Borne in der Nähe des heutigen Dokkum am Dollart'''<br>


Wird "Apostel der Deutschen" genannt und war der wohl wichtigste Missionar und Kirchenorganisator von Germanien. Außerdem war er Erzbischof in Mainz. Gilt als der Bahnbrecher der römischen Herrschaft in Deutschland, Sohn eines reichen Gutsbesitzers, beigesetzt in Fulda.


Zum Dank für erfahrene Genesung brachte sein Vater ihn mit sieben Jahren in das Kloster Adescancastre. Bald darauf kam er in das Benediktinerkloster Nhutscelle, nördlich von Southampton, wo er in dem frommen, gebildeten Geist des angelsächsischen Mönchtums heranwuchs. Bonifatius wurde Lehrer und zum Priester geweiht, gab aber die ihm bevorstehende glänzende Laufbahn auf und zog 716 mit einigen Genossen als Missionar nach Friesland, wo ihr Wirken wegen der Christenfeindlichkeit des Friesenherrschers Radbod erfolglos war. Da die Friesen mit Karl Martell im Krieg lagen, kehrte er in sein Kloster zurück, lehnte aber die Wahl zum Abt ab, weil er sich zum Missionar berufen wusste.
'''Erphesfurts Schritt in die Geschichte'''


Im Spätherbst 718 reiste Bonifatius nach Rom, um sich vor einer weiteren missionarischen Wirksamkeit in Deutschland der Unterstützung durch den Papst zu versichern.
Die Wandbilder im Rathausfestsaal (2): Missionar Bonifatius


Am 15.05.719 erhielt er von Papst Gregor II. seine Bestallungsurkunde als Prediger unter den Heiden und zugleich den Auftrag, in dem bereits als christlich geltenden Land Thüringen die bestehende Kirche zu reformieren, zu organisieren und Rom unterzuordnen. Mit diesem Auftrag erhielt der als Wynfreth geborene Missionar seinen kirchlichen Namen Bonifatius. Als Bonifatius erfuhr, dass Radbod gestorben sei, zog er den Rhein hinab zu Willibrord und arbeitete an seiner Seite drei Jahre in Friesland, lehnte aber ab, für immer dort zu bleiben und Willibrords Nachfolger zu werden, weil er sich durch den Auftrag des Papstes gebunden fühlte.


Bonifatius wandte sich 722 nach dem Lahngau und gründete als Stützpunkt für seine weitere Missionsarbeit das Kloster Amöneburg an der Ohm. Er wirkte erfolgreich und drang nach Niederhessen bis an die sächsische Grenze vor. In Rom empfing Bonifatius am 30.11.722 durch Gregor II. die Weihe zum Missionsbischof gegen die eidliche Verpflichtung, mit den Bischöfen, die sich nicht an die kanonischen Vorschriften hielten, keine Gemeinschaft zu haben, sondern ihnen vielmehr ihre Tätigkeit zu wehren oder sie dem Papst anzuzeigen.  
[[Datei:Bonifatius.jpg|400px|right]]Der angelsächsische Missionar Bonifatius hat als “Apostel der Deutschen” im 9. Jahrhundert wesentlich an der Christianisierung Thüringens mitgewirkt. Als Ergebnis langjähriger Tätigkeit gründete er 742 das Bistum Erfurt, das jedoch bald darauf an Mainz angegliedert wurde. Dennoch begründete Bonifatius hiermit die Stellung Erfurts als kirchliches Zentrum in Thüringen, das heute wieder Sitz eines katholischen Bistums und vielleicht zukünftig auch der evangelischen Kirchenverwaltung für Mitteldeutschland ist.


Im Frühjahr 723 kehrte er von Rom zurück und suchte zunächst Karl Martell auf, der ihn als Bischof anerkannte und ihm einen Schutzbrief ausstellte. Bonifatius nahm die Arbeit in Hessen
Die Bistumsgründung 742, genauer gesagt ein entsprechender Brief an Papst Zacharias mit der Bitte um Bestätigung, stellt zugleich die urkundliche Ersterwähnung von “Erphesfurt” dar, das schon lange eine “Stadt heidnischer Bauern” gewesen sei. Auch in diesem Sinne steht Bonifatius am Beginn, legte Erfurt mit ihm seinen ersten Schritt in die schriftlich belegte Geschichte zurück. Daher stellte Historienmaler Prof. Peter Janssen, beraten von einer Kommission geschichtskundiger Erfurter, den Missionar im Rathausfestsaal an den Anfang des 1882 vollendeten Wandbildzyklus`.
wieder auf.  


Die Missionsreisen des Bonifatius darf man sich als Expeditionen zu den Heiden vorstellen, auf die er sich mit Kriegern, Handwerkern und größerem Gefolge begab, um dort Niederlassungen und Klöster zu gründen. Ein besonderes Ereignis wird von Geismar (Fritzlar) in Nordhessen berichtet, wo in Sichtweite der fränkischen Festung Büraburg eine seit langem verehrte, dem Thor in Deutschland Donar genannt geweihte Eiche stand. Bonifatius entschloss sich, den Baum mit einer Axt zu fällen. Die anwesenden Wallfahrer und heidnischen Priester erwarteten gespannt die Reaktion ihres Gottes; dass diese ausblieb, beeindruckte sie tief. Aus dem Holz der "Donareiche" ließ er in Fritzlar die erste dem Hl. Petrus geweihte Kirche bauen.
Dargestellt wird die legendäre Fällung einer Eiche im Steiger, die dem germanischen Gott Donar geweiht war. Im Vordergrund gelingt es Bonifatius offenbar, Bewohner der “Stadt heidnischer Bauern” angesichts der ausbleibenden Strafe durch den Donnergott vom Wort Gottes zu überzeugen. Im Hintergrund wenden sich erzürnte Anhänger des alten Glaubens ab, was für den keineswegs reibungslosen Prozess der Christianisierung steht - Bonifatius selbst wurde 754 von heidnischen Friesen erschlagen.


Im Spätsommer 724 zog er nach Thüringen und entfaltete auch hier eine erfolgreiche Wirksamkeit: baute Kirchen, gründete in Ohrdruf ein Kloster und regelte trotz des iroschottischen Widerspruchs die kirchlichen Verhältnisse in Thüringen nach römischen Vorschriften.  
Die Geschichtsschreibung verlegt die Fällung der Donareiche freilich eher ins hessische Geismar nahe der Büraburg, wie es schon in der zeitgenössischen Biographie Willibalds von Mainz zu lesen steht. Spärliche Quellenlage und Reiz der weit verbreiteten Sage mögen es aber verzeihlich machen, wenn die Erfurter dieses Ereignis für sich in Anspruch nahmen und nehmen.


Bonifatius wurde 732 von Gregor III. zwecks selbständiger organisatorischer Tätigkeit zum Missionserzbischof ernannt, setzte aber zunächst seine Missionsarbeit in der alten Weise fort.  
Der mutige Missionar und Baumfäller steht im Rathausfestsaal unverkennbar als Symbolfigur für das siegreiche Christentum. Seine unerschütterliche Gestalt täuscht allerdings im späten 19. Jahrhundert über dessen Erosionsprozess hinweg. Zwar bekannten sich noch fast alle Erfurter offiziell zum christlichen Glauben, gut 80 Prozent waren evangelisch. In der Lutherstadt kämpfte aber keineswegs mehr jeder für “Kaiser, Gott und Vaterland”. Die aufstrebende Arbeiterbewegung setzte dem Christentum eine nichtreligiöse Weltsicht entgegen. Auch für manchen Bürger hatte seine Verbindlichkeit nachgelassen. Vielmehr bildete die Nation, das Deutsche Kaiserreich von 1871, jetzt den obersten ideellen Bezugspunkt, wenngleich “Thron und Altar” für viele preußisch-kaisertreue Erfurter noch zusammen gehörten.


738 zog Bonifatius zum dritten Mal nach Rom und begann nach seiner Rückkehr mit der Errichtung von Bistümern. Er gründete 739 in der bayrischen Kirche die Bistümer Salzburg, Regensburg, Freising und Passau, denen 745 das Bistum Eichstätt an der Altmühl folgte. 741 errichtete er das Bistum Würzburg, das Mainfranken und das südwestliche Thüringen umfasste, und das Bistum Büraburg für Hessen, das aber bald nach dem Tod des Bischofs Witta (vor 763/765) mit Mainz vereinigt wurde.  
Insbesondere der Protestantismus ist seither stark ausgehöhlt worden. Das Ende des Kaiserreiches mit seinen privilegierten Landeskirchen 1918, zwei antikirchliche Diktaturen und die Zeit nach der Wende von 1989/90 haben den Anteil der evangelischen Bevölkerung dramatisch zurück gehen lassen. Heute bekennt sich eine deutliche Mehrheit der Erfurter zu keiner Konfession mehr. Gleichwohl sollte sich jeder der christlichen Wurzeln auch unserer Stadtgeschichte bewusst bleiben, wie sie von Bonifatius verkörpert werden.


Im Herbst 741 bestimmte er Erfurt zum nordthüringischen Bischofssitz, den man aber zugunsten des Sprengels Eichstätt aufgab. Nach dem Tod Karl Martells (741) ging Bonifatius mit großer Tatkraft an die Reform der fränkischen Kirche, die durch die Willkür der Hausmeier und die Verweltlichung der Geistlichkeit in argen Verfall geraten war. Er hielt im Osten, in Austrasien, dem Machtbereich Karlmanns, und im Westen, in Neustrien, dem Machtbereich Pippins, Synoden ab, stieß aber in seinem Bemühen um Romanisierung der Kirche auf starken Widerstand.


Bonifatius setzte es 745 auf der gemeinsamen Synode durch, dass die beiden Führer der Widerstandsbewegung, die Bischöfe Aldebert und Clemens, und ein anderer seiner Gegner, der Bischof Gewilib von Mainz, der an einem Sachsen Blutrache geübt hatte, abgesetzt und der Klosterhaft übergeben wurden.
Siehe auch: '''[[Missionar_Bonifatius_Thueringen|Bonifatius und Thüringen]]''', '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Rathaus Erfurt|Rathaus]]'''
 
Bonifatius erreichte nicht die von ihm erstrebte offizielle Anerkennung der Oberhoheit Roms über die fränkische Kirche, weil die Fürsten sie nicht vollzogen und nur ein Teil der Bischöfe auf seiner Seite stand, während bei dem national-fränkisch gesinnten Teil sich ein starker Widerstand dagegen erhob, woran es auch lag, dass er sich mit Mainz als Bischofssitz begnügen musste, obwohl auf der Generalsynode von 745 auf seinen Wunsch Köln als fester Metropolitansitz für ihn bestimmt worden war.
 
Bonifatius zog sich in sein Bistum Mainz zurück und wandte seine besondere Liebe dem Kloster Fulda zu. An den großen kirchlich-politischen Ereignissen war er nicht mehr beteiligt.
 
Bonifatius legte 752 das Bischofsamt nieder und zog im Sommer 753 mit einigen Gefährten, darunter Adalar, Eoban, Hildebrand und Ferdinand nach Friesland. Er ordnete an der Ostküste des Zuidersees auf fränkischem Gebiet die kirchlichen Verhältnisse und verlebte den Winter in Utrecht. Im Frühjahr drang Bonifatius immer tiefer in das Heidenland vor. Das Evangelium fand aufnahmewillige Herzen. Am Mittwoch vor Pfingsten sollte die Firmung der Neubekehrten stattfinden. In der Morgenfrühe dieses Tages wurde Bonifatius und mehr als 50 seiner Begleiter von einer heidnischen Schar überfallen. Er verbot seinen Gefährten jede Gegenwehr und wurde mit ihnen erschlagen.
 
Seine besondere geschichtliche Bedeutung liegt in der zielgerichteten Ausrichtung der von ihm geschaffenen Kirchenstrukturen auf das Zentrum Rom und das Papsttum, ganz so wie er sie aus der englischen Kirche kannte und wie er sie im Gegensatz zu seinen iroschottischen Vorgängern dann auf dem Kontinent vertrat. Indem er sich nach einem zunächst etwas missglückten Beginn seiner Missionstätigkeit ausdrücklich durch den Papst beauftragen ließ, gelang es ihm schrittweise, die notwendige Anerkennung und Unterstützung durch den fränkischen Adel zu erringen und gleichzeitig das Papsttum in die Entwicklungen in West- und Mitteleuropa einzubinden. Damit legte er einerseits die Grundlagen für seine erfolgreiche Missionstätigkeit, andererseits konnte er die Anfänge einer in ihren Informations- und Entscheidungswegen von der weltlichen Herrschaft unabhängigen Kirchenorganisation mit Zentrum in Rom entwickeln. Es gelang ihm zwar nicht, den Strukturwandel hin zu einer von Adelsinteressen freien Kirchenhierarchie im vollem Umfang durchzusetzen, dazu fehlte ihm nicht zuletzt auch die Unterstützung der weltlichen Herrscher, aber er ist derjenige, der mit der Neudefinition Roms als Mittelpunkt kirchlicher Organisation in Europa einen wichtigen Grundstein zur Werdung des christlichen Abendlandes legte.
 
Bonifatius wusste Karl Martell und die Stammesführer von den Vorzügen insbesondere von der politischen und kulturellen Einigungskraft des Christentums zu überzeugen. In welch großen Maßstäben er dachte, ist an der Vielzahl der von ihm gegründeten Bistümer und Klöster noch heute erkennbar.

Version vom 1. Februar 2019, 13:49 Uhr

Missionar Bonifatius

Beitrag der Serie Wandbilder im Rathausfestsaal von Dr. Steffen Raßloff (2007)


Erphesfurts Schritt in die Geschichte

Die Wandbilder im Rathausfestsaal (2): Missionar Bonifatius


Bonifatius.jpg

Der angelsächsische Missionar Bonifatius hat als “Apostel der Deutschen” im 9. Jahrhundert wesentlich an der Christianisierung Thüringens mitgewirkt. Als Ergebnis langjähriger Tätigkeit gründete er 742 das Bistum Erfurt, das jedoch bald darauf an Mainz angegliedert wurde. Dennoch begründete Bonifatius hiermit die Stellung Erfurts als kirchliches Zentrum in Thüringen, das heute wieder Sitz eines katholischen Bistums und vielleicht zukünftig auch der evangelischen Kirchenverwaltung für Mitteldeutschland ist.

Die Bistumsgründung 742, genauer gesagt ein entsprechender Brief an Papst Zacharias mit der Bitte um Bestätigung, stellt zugleich die urkundliche Ersterwähnung von “Erphesfurt” dar, das schon lange eine “Stadt heidnischer Bauern” gewesen sei. Auch in diesem Sinne steht Bonifatius am Beginn, legte Erfurt mit ihm seinen ersten Schritt in die schriftlich belegte Geschichte zurück. Daher stellte Historienmaler Prof. Peter Janssen, beraten von einer Kommission geschichtskundiger Erfurter, den Missionar im Rathausfestsaal an den Anfang des 1882 vollendeten Wandbildzyklus`.

Dargestellt wird die legendäre Fällung einer Eiche im Steiger, die dem germanischen Gott Donar geweiht war. Im Vordergrund gelingt es Bonifatius offenbar, Bewohner der “Stadt heidnischer Bauern” angesichts der ausbleibenden Strafe durch den Donnergott vom Wort Gottes zu überzeugen. Im Hintergrund wenden sich erzürnte Anhänger des alten Glaubens ab, was für den keineswegs reibungslosen Prozess der Christianisierung steht - Bonifatius selbst wurde 754 von heidnischen Friesen erschlagen.

Die Geschichtsschreibung verlegt die Fällung der Donareiche freilich eher ins hessische Geismar nahe der Büraburg, wie es schon in der zeitgenössischen Biographie Willibalds von Mainz zu lesen steht. Spärliche Quellenlage und Reiz der weit verbreiteten Sage mögen es aber verzeihlich machen, wenn die Erfurter dieses Ereignis für sich in Anspruch nahmen und nehmen.

Der mutige Missionar und Baumfäller steht im Rathausfestsaal unverkennbar als Symbolfigur für das siegreiche Christentum. Seine unerschütterliche Gestalt täuscht allerdings im späten 19. Jahrhundert über dessen Erosionsprozess hinweg. Zwar bekannten sich noch fast alle Erfurter offiziell zum christlichen Glauben, gut 80 Prozent waren evangelisch. In der Lutherstadt kämpfte aber keineswegs mehr jeder für “Kaiser, Gott und Vaterland”. Die aufstrebende Arbeiterbewegung setzte dem Christentum eine nichtreligiöse Weltsicht entgegen. Auch für manchen Bürger hatte seine Verbindlichkeit nachgelassen. Vielmehr bildete die Nation, das Deutsche Kaiserreich von 1871, jetzt den obersten ideellen Bezugspunkt, wenngleich “Thron und Altar” für viele preußisch-kaisertreue Erfurter noch zusammen gehörten.

Insbesondere der Protestantismus ist seither stark ausgehöhlt worden. Das Ende des Kaiserreiches mit seinen privilegierten Landeskirchen 1918, zwei antikirchliche Diktaturen und die Zeit nach der Wende von 1989/90 haben den Anteil der evangelischen Bevölkerung dramatisch zurück gehen lassen. Heute bekennt sich eine deutliche Mehrheit der Erfurter zu keiner Konfession mehr. Gleichwohl sollte sich jeder der christlichen Wurzeln auch unserer Stadtgeschichte bewusst bleiben, wie sie von Bonifatius verkörpert werden.


Siehe auch: Bonifatius und Thüringen, Geschichte der Stadt Erfurt, Rathaus