Bilzingsleben Fundstelle Altsteinzeit Thueringen: Unterschied zwischen den Versionen

Aus erfurt-web.de
Zur Navigation springen Zur Suche springen
(Die Seite wurde neu angelegt: „= Steinzeitliche Fundstelle Bilzingsleben = '''Die Großwildjäger von Bilzingsleben gelten als die ältesten Thüringer. Mit einem Alter von ca. 370.000 Jahr…“)
 
 
(13 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 4: Zeile 4:




[[Datei:Froebelmuseum.JPG|300px|rechts]]Die Geschichte Thüringens und der Thüringer reicht, wenn man die Begriffe nicht auf die Goldwaage legt, sehr weit zurück. Mit den ersten Gruppen steinzeitlicher Urmenschen beginnend wechselten sich die Bewohner auf dem Gebiet des heutigen Freistaates immer wieder ab, verdrängten Einwanderer Alteingesessene oder lebten zeitgleich unter gegenseitiger Beeinflussung. Es entstanden und vergingen im Dunkel der noch schriftlosen „grauen Vorzeit“ namenlose, nur durch archäologische Funde fassbare Kulturen.
[[Datei:Bilzingsleben.jpg|280px|rechts]]Die Geschichte Thüringens und der Thüringer reicht, wenn man die Begriffe nicht auf die Goldwaage legt, sehr weit zurück. Mit den ersten Gruppen steinzeitlicher Urmenschen beginnend wechselten sich die Bewohner auf dem Gebiet des heutigen Freistaates immer wieder ab, verdrängten Einwanderer Alteingesessene oder lebten zeitgleich unter gegenseitiger Beeinflussung. Es entstanden und vergingen im Dunkel der noch schriftlosen „grauen Vorzeit“ namenlose, nur durch archäologische Funde fassbare Kulturen.
   
   
Erste Relikte des Menschen, der sich vor ca. 750.000 Jahren in Europa auszubreiten begann, gehen bis weit in die Altsteinzeit zurück. Die zahlreichen Funde, zunächst v.a. die namensgebenden Steinwerkzeuge, werfen interessante Schlaglichter auf das Leben unserer frühesten Vorfahren. Die wichtigsten Relikte sind im Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar zu sehen. Jenes altehrwürdige Haus in der Humboldtstraße, in dem auch das Landesamt für Archäologie residiert, gehört zu den renommierten Einrichtungen seiner Art in Deutschland. Es hat sich zugleich zu einem sehr anschaulichen Ort der Wissensvermittlung entwickelt.
Erste Relikte des Menschen, der sich vor ca. 750.000 Jahren in Europa auszubreiten begann, gehen bis weit in die Altsteinzeit zurück. Die zahlreichen Funde, zunächst v.a. die namensgebenden Steinwerkzeuge, werfen interessante Schlaglichter auf das Leben unserer frühesten Vorfahren. Die wichtigsten Relikte sind im Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar zu sehen. Jenes altehrwürdige Haus in der Humboldtstraße, in dem auch das Landesamt für Archäologie residiert, gehört zu den renommierten Einrichtungen seiner Art in Deutschland. Es hat sich zugleich zu einem sehr anschaulichen Ort der Wissensvermittlung entwickelt.
Zeile 10: Zeile 10:
Wer jenseits der Museumsmauern auf Spurensuche gehen möchte, kann aber auch fündig werden. Unter den archäologischen Fundorten ragt einer allein schon durch sein Alter deutlich heraus: Nahe Bilzingsleben bei Kindelbrück finden sich mit die frühesten Spuren der Gattung Homo erectus in Mitteleuropa. Jene Fundstelle unter einer Travertinschicht, die seit dem Mittelalter als Steinbruch „Steinrinne“ abgebaut worden war, wurde im frühen 19. Jahrhundert entdeckt. Sie hat Überreste einer Gruppe von altsteinzeitlichen Urmenschen vor ca. 370.000 Jahren zu Tage gefördert, wie sie kaum eine andere in dieser Fülle bietet. Die Grabungen und wissenschaftlichen Untersuchungen seit den 1970er-Jahren haben international für Aufsehen gesorgt.
Wer jenseits der Museumsmauern auf Spurensuche gehen möchte, kann aber auch fündig werden. Unter den archäologischen Fundorten ragt einer allein schon durch sein Alter deutlich heraus: Nahe Bilzingsleben bei Kindelbrück finden sich mit die frühesten Spuren der Gattung Homo erectus in Mitteleuropa. Jene Fundstelle unter einer Travertinschicht, die seit dem Mittelalter als Steinbruch „Steinrinne“ abgebaut worden war, wurde im frühen 19. Jahrhundert entdeckt. Sie hat Überreste einer Gruppe von altsteinzeitlichen Urmenschen vor ca. 370.000 Jahren zu Tage gefördert, wie sie kaum eine andere in dieser Fülle bietet. Die Grabungen und wissenschaftlichen Untersuchungen seit den 1970er-Jahren haben international für Aufsehen gesorgt.


Aus jenem Homo erectus entwickelte sich der Neandertaler und unser direkter Vorfahre Homo sapiens. Er gilt als erste menschliche Art, die das Feuer benutzte, intensiv jagte, wie ein moderner Mensch aufrecht laufen konnte und diesem auch schon recht ähnlichsah. Vom Homo erectus bilzingslebensis weiß man, dass er am Rande eines Sees einen Lagerplatz mit Behausungen und Feuerstellen unterhielt, Werkzeuge, Jagdwaffen und andere Geräte aus Stein, Holz, Knochen und Geweih herstellte. Die Gruppe sammelte Früchte und Pflanzen, machte aber auch gemeinsam Jagd auf Waldnashörner, Biber, Hirsche, Waldelefanten und Bären.  
Aus jenem Homo erectus entwickelte sich der Neandertaler und unser direkter Vorfahre Homo sapiens. Er gilt als erste menschliche Art, die das Feuer benutzte, intensiv jagte, wie ein moderner Mensch aufrecht laufen konnte und diesem auch schon recht ähnlichsah. Vom Homo erectus bilzingslebensis weiß man, dass er am Rande eines Sees einen Lagerplatz mit Behausungen und Feuerstellen unterhielt, Werkzeuge, Jagdwaffen und andere Geräte aus Stein, Holz, Knochen und Geweih herstellte. Die Gruppe sammelte Früchte und Pflanzen, machte aber auch gemeinsam Jagd auf Waldnashörner, Biber, Hirsche, Waldelefanten und Bären. Die Ausgrabungsstätte Steinrinne Bilzingsleben mit den ältesten menschlichen Fossilresten in Mitteldeutschland ist mittlerweile mit Besucherzentrum und Ausstellung für die Sommermonate erschlossen worden. Natürlich spielen die ältesten Thüringer auch im Weimarer Museum eine wichtige Rolle. Dort sind eine modellhafte Rekonstruktion des Lagerplatzes und zahlreiche Fundstücke zu bestaunen. (Foto: Metilsteiner)


Die Ausgrabungsstätte Steinrinne Bilzingsleben mit den ältesten menschlichen Fossilresten in Mitteldeutschland ist mittlerweile mit Besucherzentrum und Ausstellung für die Sommermonate erschlossen worden. Natürlich spielen die ältesten Thüringer auch im Weimarer Museum eine wichtige Rolle. Dort sind eine modellhafte Rekonstruktion des Lagerplatzes und zahlreiche Fundstücke zu bestaunen.


'''[[Steffen Rassloff|Steffen Raßloff]]: Dem Waldelefanten auf der Spur. Der steinzeitliche Fundplatz Bilzingsleben. In: [[Thueringen 55 Highlights aus der Geschichte|Thüringen. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2018 (3. Auflage 2022). S. 8 f.


'''[[Steffen Raßloff]]: Dem Waldelefanten auf der Spur. Der steinzeitliche Fundplatz Bilzingsleben. In: [[Thueringen 55 Highlights aus der Geschichte|Thüringen. 55 Highlights aus der Geschichte]].''' Erfurt 2018. S. 8 f.
 
Siehe auch: '''[[Geschichte Thüringens]]''', '''[http://www.steinrinne-bilzingsleben.com/ Steinrinne Bilzingsleben]''', '''[http://alt-thueringen.de/ Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens]'''

Aktuelle Version vom 24. Januar 2023, 15:09 Uhr

Steinzeitliche Fundstelle Bilzingsleben

Die Großwildjäger von Bilzingsleben gelten als die ältesten Thüringer. Mit einem Alter von ca. 370.000 Jahren handelt es sich bei der spektakulären Fundstätte „Steinrinne“ nahe Kindelbrück zugleich mit um die frühesten Spuren des Menschen in Mitteleuropa.


Bilzingsleben.jpg

Die Geschichte Thüringens und der Thüringer reicht, wenn man die Begriffe nicht auf die Goldwaage legt, sehr weit zurück. Mit den ersten Gruppen steinzeitlicher Urmenschen beginnend wechselten sich die Bewohner auf dem Gebiet des heutigen Freistaates immer wieder ab, verdrängten Einwanderer Alteingesessene oder lebten zeitgleich unter gegenseitiger Beeinflussung. Es entstanden und vergingen im Dunkel der noch schriftlosen „grauen Vorzeit“ namenlose, nur durch archäologische Funde fassbare Kulturen.

Erste Relikte des Menschen, der sich vor ca. 750.000 Jahren in Europa auszubreiten begann, gehen bis weit in die Altsteinzeit zurück. Die zahlreichen Funde, zunächst v.a. die namensgebenden Steinwerkzeuge, werfen interessante Schlaglichter auf das Leben unserer frühesten Vorfahren. Die wichtigsten Relikte sind im Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar zu sehen. Jenes altehrwürdige Haus in der Humboldtstraße, in dem auch das Landesamt für Archäologie residiert, gehört zu den renommierten Einrichtungen seiner Art in Deutschland. Es hat sich zugleich zu einem sehr anschaulichen Ort der Wissensvermittlung entwickelt.

Wer jenseits der Museumsmauern auf Spurensuche gehen möchte, kann aber auch fündig werden. Unter den archäologischen Fundorten ragt einer allein schon durch sein Alter deutlich heraus: Nahe Bilzingsleben bei Kindelbrück finden sich mit die frühesten Spuren der Gattung Homo erectus in Mitteleuropa. Jene Fundstelle unter einer Travertinschicht, die seit dem Mittelalter als Steinbruch „Steinrinne“ abgebaut worden war, wurde im frühen 19. Jahrhundert entdeckt. Sie hat Überreste einer Gruppe von altsteinzeitlichen Urmenschen vor ca. 370.000 Jahren zu Tage gefördert, wie sie kaum eine andere in dieser Fülle bietet. Die Grabungen und wissenschaftlichen Untersuchungen seit den 1970er-Jahren haben international für Aufsehen gesorgt.

Aus jenem Homo erectus entwickelte sich der Neandertaler und unser direkter Vorfahre Homo sapiens. Er gilt als erste menschliche Art, die das Feuer benutzte, intensiv jagte, wie ein moderner Mensch aufrecht laufen konnte und diesem auch schon recht ähnlichsah. Vom Homo erectus bilzingslebensis weiß man, dass er am Rande eines Sees einen Lagerplatz mit Behausungen und Feuerstellen unterhielt, Werkzeuge, Jagdwaffen und andere Geräte aus Stein, Holz, Knochen und Geweih herstellte. Die Gruppe sammelte Früchte und Pflanzen, machte aber auch gemeinsam Jagd auf Waldnashörner, Biber, Hirsche, Waldelefanten und Bären. Die Ausgrabungsstätte Steinrinne Bilzingsleben mit den ältesten menschlichen Fossilresten in Mitteldeutschland ist mittlerweile mit Besucherzentrum und Ausstellung für die Sommermonate erschlossen worden. Natürlich spielen die ältesten Thüringer auch im Weimarer Museum eine wichtige Rolle. Dort sind eine modellhafte Rekonstruktion des Lagerplatzes und zahlreiche Fundstücke zu bestaunen. (Foto: Metilsteiner)


Steffen Raßloff: Dem Waldelefanten auf der Spur. Der steinzeitliche Fundplatz Bilzingsleben. In: Thüringen. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2018 (3. Auflage 2022). S. 8 f.


Siehe auch: Geschichte Thüringens, Steinrinne Bilzingsleben, Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens