AOK Geschäftshaus Augustinerstraße

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Geschäftshaus AOK Augustinerstraße

Klassiker der Bauhaus-Architektur

1930 zog die Krankenkasse AOK in einen Musterbau der klassischen Moderne in der Augustinerstraße


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Weimar ist unstrittig der Geburtsort der klassischen Moderne. Das 1919 gegründete Bauhaus setzte dort bis zu seiner Vertreibung 1924 neue Maßstäbe in Architektur und Design. Das Haus am Horn und der Van-de-Velde-Bau der heutigen Bauhaus-Universität mit dem Gropius-Zimmer gelten als Pilgerstätten. Für ein neues Bauhaus-Museum steht der erste Spatenstich unmittelbar bevor. Sieht man sich aber im beschaulichen Ilm-Athen um, so findet man kaum weitere Bauwerke im Bauhaus-Stil. In der schon damals pulsierenden Großstadt Erfurt dagegen konnte sich die moderne Architektur der Weimarer Republik mit ihrer klaren Formensprache nachdrücklich im Stadtbild verewigen. Das bietet für das 2019 anstehende 100. Gründungsjubiläum des Bauhauses, das man in Weimar groß aufziehen möchte, auch der benachbarten Landeshauptstadt viele Anknüpfungspunkte.

Die Reformarchitektur im Bauhaus-Stil sticht besonders bei den ambitionierten Geschäftshäusern und den Wohnungsbauprojekten der Vorstädte hervor. Sie spiegeln zugleich die kurze Phase positiver wirtschaftlicher und städtebaulicher Entwicklung in den „Goldenen Zwanzigern“. Eindrucksvolles Beispiel hierfür ist der Neubau der AOK in der Augustinerstraße 38 von 1930. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen hatten in den 1920er-Jahren in vielen Städten solche modernen Sitze für ihre Verwaltungen und den regen Publikumsverkehr errichtet. In nur 14 Monaten Bauzeit war 1928/29 der Neubau direkt gegenüber der Augustinerkirche fertiggestellt worden. Die Architekten Theo Kellner (Erfurt) und Felix H. Hinssen (Berlin) gliederten die klare Front aus hellem Sandstein mit einem zurückgesetzten Eingangsbereich, von dem man ins ebenso moderne, funktionell gestaltete Innere gelangte. Am Portal empfangen den Besucher Wandreliefs des Erfurter Bildhauers Hans Walther.

Im Hause konnte man neben dem Kontakt zur Versicherung in der großen Abfertigungshalle eine Zahnklinik und ein Lichtinstitut nutzen. Damals zählte die AOK immerhin schon rund 45.000 Mitglieder in Erfurt. Nach 1945 residierten die vereinheitlichte Sozialversicherung der DDR und die fortbestehende Zahnklinik in dem im Krieg nur leicht beschädigten Gebäude. Sanierungen, bauliche Eingriffe und Vernachlässigungen der Substanz beeinträchtigten jedoch mit der Zeit die ursprüngliche Wirkung jenes Musterbaus der klassischen Moderne. Mit der deutschen Wiedervereinigung 1989 bekam die AOK das Gebäude zurück übertragen und zog nach gründlicher Sanierung 1996 wieder ein – sechseinhalb Jahrzehnte nach der ersten feierlichen Einweihung. Heute ist hier die Filiale Erfurt-Mitte der AOK Plus ansässig. (Foto: Dr. Steffen Raßloff)

(Dr. Steffen Raßloff in Thüringer Allgemeine vom 26.09.2015)


Lesetipp:

Steffen Raßloff: Moderne Großstadtarchitektur. Das Bauhaus in Erfurt. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 90 f.

Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.


Siehe auch: Bauhaus-Architektur in Erfurt, 100. Bauhaus-Jubiläum 2019, Geschichte der Stadt Erfurt