Oberbürgermeister Hermann Schmidt

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Oberbürgermeister Hermann Schmidt

Beitrag der Serie Erfurter Oberbürgermeister der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (2006)


Oberbürgermeister Hermann Schmidt (1895-1919)

Der 1895 bis 1919 amtierende Oberbürgermeister Dr. Hermann Schmidt war das letzte Stadtoberhaupt der Kaiserzeit. Unter seiner Leitung vollzog sich die endgültige Wandlung Erfurts zur modernen Industriegroßstadt, die 1906 die 100.000-Einwohner-Grenze überschritt. Schmidt führte Erfurt durch die schwere Zeit des Ersten Weltkrieges 1914/18, ehe er 1919 die Geschäfte an seinen Nachfolger Bruno Mann übergab.

Wie seine Vorgänger stammte auch Hermann Schmidt nicht aus der Region. 1851 in Dedesdorf im Großherzogtum Oldenburg geboren, wirkte er vor seiner Berufung nach Erfurt 1882-90 als Stadtsyndikus in Hildesheim und 1890-95 als 2. Bürgermeister von Halle/S. Am 3. Dezember 1895 trat er sein Amt als Oberbürgermeister von Erfurt an. Hatte Richard Breslau in der „Gründerzeit“ nach der Reichsgründung 1871 die Weichen für den Weg Erfurts zur modernen Großstadt gestellt, so gebührt Hermann Schmidt das Verdienst, auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung die Geschicke der Stadt erfolgreich geleitet zu haben.

Besonders hebt Stadthistoriker und Zeitgenosse Johannes Biereye die Fähigkeiten des „ausgezeichneten Finanzpolitikers“ hervor. Durch geschickte Bodenpolitik nahm die Entwicklung blühender Vorstädte rund um den mittelalterlichen Stadtkern weiter Fahrt auf. Den Bedürfnissen der expandierenden Industrie trug man 1909 durch die Ausweisung eines großen Gewerbegebietes im Norden Rechnung. Auch der Durchbruch zur modernen Dienstleistungsstadt geht in die Amtsszeit Schmidts zurück. So entstand 1906 das „Kaufhaus Römischer Kaiser“ am Anger, das heutige „Anger 1“, als größte Einrichtung ihrer Art in der Region.

Die unter Richard Breslau begonnene Modernisierung der Infrastruktur wurde von Schmidt ebenfalls fortgesetzt, unter dessen Leitung ein Städtisches Elektrizitätswerk (1901) und der Hauptfriedhof (1916) entstanden sowie der Flutgraben 1899 fertiggestellt wurde. Die Umnutzung der ehemaligen Festungswälle ging weiter, 1908 konnte auf der Daberstedter Schanze der Stadtpark übergeben werden. Auch im kulturellen Bereich setzte Schmidt Akzente, indem beispielsweise das Museum mit dem späteren Reichskunstwart Dr. Edwin Redslob 1912 einen hauptamtlichen Direktor bekam und ein zentraler Neubau auf dem Stadtparkgelände in greifbare Nähe rückte (1913 Entwurf Henry van de Velde).

So war es mehr als ein symbolischer Akt, wenn Hermann Schmidt 1906, vor genau 100 Jahren, den Eintritt Erfurts in den Kreis der Großstädte verkünden konnte. Voller Stolz informierte er die Stadtväter im Rathaus, dass mit dem Fleischermeistersohn Wilhelm Mund am 22. Mai 1906 der einhunderttausendste Erfurter das Licht der Welt erblickt habe. Die Stadtverordneten antworteten hierauf mit einem „lebhaften Bravo!“. In drei Jahrzehnten hatte sich die Einwohnerzahl von 48.000 (1875) auf 100.000 (1906) verdoppelt. Zuzüglich Eingemeindungen, v.a. des nördlichen Industrievorortes Ilversgehofen (1911), brachte es die Stadt bis 1914 auf 130.000 Einwohner.

Der im August 1914 beginnende Erste Weltkrieg brachte diese dynamische Stadtentwicklung abrupt zum stehen. Die wirtschaftliche und soziale Situation verschlechterte sich zusehends, an die Umsetzung solcher Projekte wie dem Museumsneubau war nicht mehr zu denken. Am Ende des verlorenen Krieges war Erfurt „eine arme Stadt“, wie der kommunale Verwaltungsbericht feststellen musste. Der allseits geachtete Oberbürgermeister übte sein schweres Amt auch noch über die Revolution und Republikausrufung im November 1918 hinaus bis 1919 aus, ehe er schon zwei Jahre später verstarb.