Landtagshochhaus Erfurt Eierkiste

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Landtagshochhaus Erfurt

Erfurts Weg zur thüringischen Landeshauptstadt begann nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. DDR mit dem Umzug von Parlament und Regierung aus Weimar. Hieran erinnert das im Volksmund „Eierkiste“ bezeichnete Landtags-Hochhaus.


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Das Ende des Zweiten Weltkrieges sorgte neben vielen anderen Veränderungen auch für die politisch-administrative Einigung Thüringens – wenn auch vorerst nur für wenige Jahre. Entsprechend den Beschlüssen der Konferenz von Jalta sollte Thüringen zur Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) gehören, was im Juli 1945 zum Abzug der Amerikaner und Nachrücken der Sowjetarmee führte. Die föderale Struktur Deutschlands wurde verändert, was vor allem zum Verschwinden Preußens von der Landkarte führte.

Für das 1920 aus den ehemaligen Kleinstaaten gegründete Land Thüringen mit der Hauptstadt Weimar bedeutete dies die Einbeziehung des preußischen Regierungsbezirkes Erfurt sowie des Kreises Schmalkalden. Logische Folge war das Bemühen der Erfurter, ihre alte Metropole nunmehr auch zur offiziellen Landeshauptstadt zu machen. Nach der formalen Auflösung Preußens per Alliiertem Kontrollratsbeschluss 1947 waren zudem letzte Unsicherheiten beseitigt worden. In einer Denkschrift über die Notwendigkeit, die Stadt Erfurt zur Landeshauptstadt mit dem Sitz der Landesregierung zu machen bündelte man 1948 selbstbewusst alle Argumente.

Tatsächlich ging die Funktion der Landeshauptstadt schrittweise von Weimar an Erfurt über. Schon 1947 hatte man damit begonnen, Behörden von der Ilm an die Gera zu verlegen. Nach kontroversen Debatten siedelte sich die Landesregierung 1950 und der Landtag 1951 in Erfurt an. Ministerpräsident Werner Eggerath (SED) formulierte einen wesentlichen Beweggrund: Der alte Hofratsgeist geistert in Weimar noch sehr stark, und ein neues gesundes Leben kommt nicht zum Durchbruch, weil Weimar keine nennenswerte Industriearbeiterschaft hat. Zudem hatte sich die einstige konservative Residenzstadt zur „Muster-Gauhauptstadt“ im Dritten Reich profiliert.

Die aus Sicht der neuen sozialistischen Machthaber progressivere Industriegroßstadt Erfurt bekam nun ein modernes Aushängeschild. Das Verwaltungsgebäude des preußischen Regierungsbezirkes Erfurt, der heutige Landtagsaltbau, an der Arnstädter Straße wurde durch ein Hochhaus erweitert. Der 1951 fertiggestellte zehngeschossige Neubau von Architekt Egon Hartmann, inspiriert vom Geist des Bauhauses, geriet allerdings rasch ins Kreuzfeuer der Kritik. Während die offiziöse DDR-Architektur eher dem Neoklassizismus im Stile der Stalinallee in Berlin zuneigte, zeigten sich auch viele Erfurter vom ersten Hochhaus ihrer Stadt wenig begeistert. Rasch machte im Volksmund die Bezeichnung „Eierkiste“ die Runde.

Die Hauptstadtfrage sollte freilich bald hinfällig werden. Im Juli 1952 erfolgte die Auflösung der Länder und die Teilung Thüringens in die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl. Im Hochhaus siedelte sich der Rat des Bezirkes Erfurt an. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 trat dann endgültig der heutige Freistaat Thüringen ins Leben. Zu diesem Zeitpunkt war Erfurt bereits faktisch Landeshauptstadt und nach erneut heftigem Duell mit Weimar verabschiedete der Landtag am 10. Januar 1991 das entsprechende Landesgesetz. Der Komplex um das denkmalgeschützte Hochhaus, heute Sitz der Landtagsverwaltung, wurde zum modernen demokratischen Herzstück des Freistaates Thüringen ausgebaut. Am Hirschgarten in der Erfurter Altstadt hat die Thüringer Staatskanzlei ihren Sitz genommen.


Steffen Raßloff: Mutige Architektur. Erfurt als Landeshauptstadt Thüringens. In: Thüringen. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2018. S. 104 f.


Siehe auch: Geschichte Thüringens, Geschichte der Stadt Erfurt, Landtag