Gartenbauunternehmen N.L. Chrestensen: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Beitrag der Serie [[Blumenstadt_Erfurt_-_Gartenbauunternehmen|Mythos Blumenstadt]] in der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''' (28.04.2007)
'''Das 1867 gegründete Gartenbauunternehmen N.L. Chrestensen gehört zu den wichtigsten Unternehmen der einst Weltruf genießenden Blumenstadt Erfurt.'''




'''Hinaus in die Welt'''
[[Datei:N.L.Chrestensen.jpg|280px|right]]Der traditionsreiche Erwerbsgartenbau wurde im 19. Jahrhundert ein die Wirtschaft und den Ruf Erfurts prägender Wirtschaftsbereich. Hierfür stehen klangvolle Namen wie „Kakteen-Haage“, „Blumenschmidt“, Benary, Heinemann und Chrestensen. Diese Unternehmen erwarben der Stadt laut einer zeitgenössischen Gartenbau-Geschichte „einen weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinaus reichenden Ruf“. Dieser wurde durch zahlreiche Innovationen und große Gartenbauausstellungen seit 1865 gefestigt. Die „Blumenstadt“ war aber auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild deutlich zu erkennen mit ihren bunten Blumenfeldern und den riesigen Gartenbau- und Samenzuchtbetrieben.


'''Mythos Blumenstadt (6): Das Gartenbauunternehmen Chrestensen'''
Der weit hallende Ruf zog auch Niels Lund Chrestensen aus dem dänischen Jütland an die Gera (Foto Firma N.L. Chrestensen). Seit 1867 betätigen sich mittlerweile fünf Generationen des von ihm gegründeten Familienunternehmens als „Lieferanten für die Gärten der Welt“. Chrestensen war der älteste Sohn eines Bauern und lernte das Gärtnerhandwerk in Aarhus. Zur weiteren Ausbildung ging er 1864 nach Erfurt, das schon zu dieser Zeit eine einmalige Dichte an Gartenbauunternehmen von Weltruf aufwies. In mehreren Firmen betätigte er sich als Gehilfe und Obergärtner.


Der Ruf der Blumenstadt hatte Niels Lund Chrestensen aus dem dänischen Jütland nach Erfurt geführt. Er sollte diesen Ruf gehörig befördern. Seit 1867 betätigen sich mittlerweile fünf Generationen dieses Familienunternehmens erfolgreich als „Lieferanten für die Gärten der Welt“.
1867 begann Chrestensen mit einer Binderei von Blumensträußen und Kränzen. Das von ihm erfundene Trockenverfahren machte die Blumen länger haltbar und sorgte rasch für regen Absatz. 1874 erweiterten Kunst- und Handelsgärtnerei sowie Korbflechterei die Produktpalette. Der florierende Samenhandel machte „N.L. Chrestensen“ schließlich um die Jahrhundertwende zur Weltfirma. Die internationalen Märkte wurden seit 1896 auch von einem Verkaufsbüro in London aus koordiniert. Die Weltausstellung 1893 in Chicago endete mit der Ehrung durch die Große Columbus Medaille, zu der hunderte andere Preise hinzukamen.


Zugleich gehörte Chrestensen als einer der bürgerlichen Honoratioren dem Vorstand des „Erfurter Spar- und Bauvereins“ und des „Bürger-Schützen-Corps 1463“ an, Ausrichter des beliebten Schützenfestes. Auch trat er als Spender und Stifter auf. Seine Nachfolger Carl Chrestensen (1918-1939) und Niels Chrestensen (1939-1972) blieben diesem Engagement treu, ebenso wie dem Erfolg der Firma. Sie konnten selbst die Rückschläge durch den Ersten Weltkrieg kompensieren, das 1914 geschlossene Büro in London nahm 1926 seinen Betrieb wieder auf.


[[Datei:N.L.Chrestensen.jpg|280px|right]]Niels Lund Chrestensen (1840-1914) war der älteste Sohn eines dänischen Bauern in Jütland (Foto: N.L. Chrestensen). Er lernte das Gärtnerhandwerk bei C. Jensen in Aarhus. Zur weiteren Ausbildung ging er 1864 nach Erfurt, das schon zu dieser Zeit eine einmalige Dichte an Gartenbauunternehmen von Weltruf und verschiedenen Spezialisierungsrichtungen aufwies. In mehreren Firmen betätigte er sich als Gehilfe und Obergärtner.
Ähnlich wie bei „Kakteen-Haage“ wurde die Familientradition trotz aller Restriktionen sogar über die NS- und DDR-Zeit hinweg bis in die Gegenwart gewahrt. Nach der Überführung in Volkseigentum 1972 verblieben die Inhabersöhne im Betrieb: Niels Lund Chrestensen war für die Samenentwicklung verantwortlich, Dr. Cornel Niels Chrestensen baute ein modernes Versandhaus für Samen und Pflanzen auf. Nach der Reprivatisierung 1990 übernahmen die Brüder die Leitung der Firma und führten sie erfolgreich zurück in die Marktwirtschaft. Niels Lund Chrestensen wirkte darüber hinaus in vielen Ehrenämtern und war Präsident der Industrie- und Handelskammer Erfurt. 2003 übernahm sein Sohn Frederick Niels Chrestensen die Geschäftsführung, dessen Cousin Niels Lars Chrestensen wurde 2005 Prokurist.


1867 begann Chrestensen mit einer Binderei von prächtigen Blumensträußen und Kränzen. Das von ihm erfundene Trockenverfahren machte die Blumen länger haltbar und sorgte rasch für regen Absatz. 1874 erweiterten Kunst- und Handelsgärtnerei sowie Krobflechterei die Produktpalette. Der florierende Samenhandel machte „N.L. Chrestensen“ schließlich um die Jahrhundertwende zur Weltfirma. Die internationalen Märkte wurden seit 1896 auch von einem Verkaufsbüro in London aus koordiniert. Die Weltausstellung 1893 in Chicago endete mit der Ehrung durch die Große Columbus Medaille, zu der hunderte andere Preise hinzu kamen.
Mit Versandhandel, Onlineshop und vielen Innovationen in der Samenentwicklung konnte N.L. Chrestensen wieder eine internationale Marktposition aufbauen. Im Stammhaus in der Marktstraße und im 1994 eingeweihten Lager- und Logistikzentrum im Borntal, dem traditionellen Firmenstandort, herrscht reges Treiben. Rund 120 Mitarbeiter erfüllen die Kundenwünsche von Hobbygärtnern ebenso wie von Gärtnereien und Handelspartnern in aller Welt. Nicht zuletzt engagiert sich das traditionell eng mit der Gartenbauausstellung iga/egapark verbundene Unternehmen im Rahmen der Vorbereitung auf die Bundesgartenschau in Erfurt 2021. So ist Niels Lars Chrestensen stellvertretender Vorstand der Buga-Freunde.


Zugleich gehörte Chrestensen als Vertreter der bürgerlichen Honoratiorenschaft dem Vorstand des 1898 gegründeten „Erfurter Spar- und Bauvereins“, einem katholischen Kirchenvorstand und dem „Bürger-Schützen-Corps 1463“ an, Ausrichter des beliebten Schützenfestes. Zugleich trat er als Spender und Stifter auf. Auch seine Nachkommen blieben diesem ehrenamtlichen Engagement treu, ebenso wie dem wirtschaftlichen Erfolg der Firma. Sie konnten auch die Rückschläge durch den Ersten Weltkrieg kompensieren, selbst das 1914 geschlossene Büro in London nahm 1926 seinen Betrieb wieder auf.


Ähnlich wie bei Kakteen-Haage blieb die Familientradition trotz aller Restriktionen sogar über die DDR-Zeit hinweg gewahrt. Nach Überführung des Betriebes in Volkseigentum 1972 verblieb Inhabersohn Niels Lund Chrestensen im Betrieb für die Blumensamenzucht und -vermehrung verantwortlich. Nach der Reprivatisierung 1990 übernahm er als Geschäftsführer die Leitung der Firma. Mit gärtnerischem Versandhandel, Fleurop-Blumendienst, Samen- und Pflanzenhandel konnte N.L. Chrestensen wieder eine internationale Marktposition aufbauen. Im Stammhaus in der Marktstraße und im 1994 eingeweihten Lager- und Logistikzentrum im Brühler Feld, dem traditionellen Firmenstandort, herrscht reges Treiben. Rund 100 Mitarbeiter erfüllen die Kundenwünsche von Hobbygärtnern ebenso wie von Gärtnereien und Handelspartnern in aller Welt. Über 1.000 verschiedene Arten und Sorten, darunter mehr als 200 Eigenzüchtungen stehen heute im Sortiment.
'''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]], Die großen Gartenbauunternehmen der Blumenstadt Erfurt (Teil 1): N.L. Chrestensen.''' In: BUGA - Mitschnitt des Jahres 2018. Erfurt 2019. S. 54 f.  
 
Auch die Stellung von Firmenchef Niels Lund Chrestensen als Präsident der Erfurter Industrie- und Handelskammer, der einst auch ein Friedrich Benary vorstand, verweist auf die wirtschaftliche Bedeutung des Gartenbaus bis auf den heutigen Tag. Mit Chrestensen und Kakteen-Haage verfügt Erfurt noch immer über zwei Gartenbauunternehmen von internationalem Ruf. Hier lebt der alte Mythos Blumenstadt jenseits von egapark, Fachhochschule oder Gartenbaumuseum weiter und wird buchstäblich Tag für Tag in die Welt hinaus getragen.





Version vom 24. April 2019, 10:16 Uhr

Gartenbauunternehmen N.L. Chrestensen

Das 1867 gegründete Gartenbauunternehmen N.L. Chrestensen gehört zu den wichtigsten Unternehmen der einst Weltruf genießenden Blumenstadt Erfurt.


N.L.Chrestensen.jpg

Der traditionsreiche Erwerbsgartenbau wurde im 19. Jahrhundert ein die Wirtschaft und den Ruf Erfurts prägender Wirtschaftsbereich. Hierfür stehen klangvolle Namen wie „Kakteen-Haage“, „Blumenschmidt“, Benary, Heinemann und Chrestensen. Diese Unternehmen erwarben der Stadt laut einer zeitgenössischen Gartenbau-Geschichte „einen weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinaus reichenden Ruf“. Dieser wurde durch zahlreiche Innovationen und große Gartenbauausstellungen seit 1865 gefestigt. Die „Blumenstadt“ war aber auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild deutlich zu erkennen mit ihren bunten Blumenfeldern und den riesigen Gartenbau- und Samenzuchtbetrieben.

Der weit hallende Ruf zog auch Niels Lund Chrestensen aus dem dänischen Jütland an die Gera (Foto Firma N.L. Chrestensen). Seit 1867 betätigen sich mittlerweile fünf Generationen des von ihm gegründeten Familienunternehmens als „Lieferanten für die Gärten der Welt“. Chrestensen war der älteste Sohn eines Bauern und lernte das Gärtnerhandwerk in Aarhus. Zur weiteren Ausbildung ging er 1864 nach Erfurt, das schon zu dieser Zeit eine einmalige Dichte an Gartenbauunternehmen von Weltruf aufwies. In mehreren Firmen betätigte er sich als Gehilfe und Obergärtner.

1867 begann Chrestensen mit einer Binderei von Blumensträußen und Kränzen. Das von ihm erfundene Trockenverfahren machte die Blumen länger haltbar und sorgte rasch für regen Absatz. 1874 erweiterten Kunst- und Handelsgärtnerei sowie Korbflechterei die Produktpalette. Der florierende Samenhandel machte „N.L. Chrestensen“ schließlich um die Jahrhundertwende zur Weltfirma. Die internationalen Märkte wurden seit 1896 auch von einem Verkaufsbüro in London aus koordiniert. Die Weltausstellung 1893 in Chicago endete mit der Ehrung durch die Große Columbus Medaille, zu der hunderte andere Preise hinzukamen.

Zugleich gehörte Chrestensen als einer der bürgerlichen Honoratioren dem Vorstand des „Erfurter Spar- und Bauvereins“ und des „Bürger-Schützen-Corps 1463“ an, Ausrichter des beliebten Schützenfestes. Auch trat er als Spender und Stifter auf. Seine Nachfolger Carl Chrestensen (1918-1939) und Niels Chrestensen (1939-1972) blieben diesem Engagement treu, ebenso wie dem Erfolg der Firma. Sie konnten selbst die Rückschläge durch den Ersten Weltkrieg kompensieren, das 1914 geschlossene Büro in London nahm 1926 seinen Betrieb wieder auf.

Ähnlich wie bei „Kakteen-Haage“ wurde die Familientradition trotz aller Restriktionen sogar über die NS- und DDR-Zeit hinweg bis in die Gegenwart gewahrt. Nach der Überführung in Volkseigentum 1972 verblieben die Inhabersöhne im Betrieb: Niels Lund Chrestensen war für die Samenentwicklung verantwortlich, Dr. Cornel Niels Chrestensen baute ein modernes Versandhaus für Samen und Pflanzen auf. Nach der Reprivatisierung 1990 übernahmen die Brüder die Leitung der Firma und führten sie erfolgreich zurück in die Marktwirtschaft. Niels Lund Chrestensen wirkte darüber hinaus in vielen Ehrenämtern und war Präsident der Industrie- und Handelskammer Erfurt. 2003 übernahm sein Sohn Frederick Niels Chrestensen die Geschäftsführung, dessen Cousin Niels Lars Chrestensen wurde 2005 Prokurist.

Mit Versandhandel, Onlineshop und vielen Innovationen in der Samenentwicklung konnte N.L. Chrestensen wieder eine internationale Marktposition aufbauen. Im Stammhaus in der Marktstraße und im 1994 eingeweihten Lager- und Logistikzentrum im Borntal, dem traditionellen Firmenstandort, herrscht reges Treiben. Rund 120 Mitarbeiter erfüllen die Kundenwünsche von Hobbygärtnern ebenso wie von Gärtnereien und Handelspartnern in aller Welt. Nicht zuletzt engagiert sich das traditionell eng mit der Gartenbauausstellung iga/egapark verbundene Unternehmen im Rahmen der Vorbereitung auf die Bundesgartenschau in Erfurt 2021. So ist Niels Lars Chrestensen stellvertretender Vorstand der Buga-Freunde.


Dr. Steffen Raßloff, Die großen Gartenbauunternehmen der Blumenstadt Erfurt (Teil 1): N.L. Chrestensen. In: BUGA - Mitschnitt des Jahres 2018. Erfurt 2019. S. 54 f.


Lesetipp:

Martin Baumann/Steffen Raßloff (Hg.): Blumenstadt Erfurt. Waid - Gartenbau - iga/egapark. Erfurt 2011.


Siehe auch Geschichte der Stadt Erfurt, N.L. Chrestensen