Galerie Anger 1

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Galerie Anger 1 - Kaufhaus Römischer Kaiser

Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (16.08.2014)


Beginn der Moderne im Einzelhandel

DENKMALE IN ERFURT (161): Mit dem „Kaufhaus Römischer Kaiser“ begann 1908 der Siegeszug des Warenhauses.


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Der Einzelhandel in deutschen Großstädten wird seit der späten Kaiserzeit in wachsendem Maße von einem damals völlig neuen Phänomen geprägt – dem Kaufhaus oder Warenhaus. Als Gegenstück zum klassischen Einzelhändler mit seinem Geschäft beruhte deren Erfolg auf dem Angebot einer großen Vielfalt an Waren, auf Rabattaktionen und moderner Reklame. Geboten wurde ein Einkaufserlebnis der neuen Art. Symbolisch hierfür steht in Erfurt das einstige „Kaufhaus Römischer Kaiser“, kurz KRK, die heutige Galerie „Anger 1“. Es eröffnete nur zwei Jahre nachdem die pulsierende Industriegroßstadt Erfurt 1906 die Marke von 100.000 Einwohnern überschritten hatte. Das größte Kaufhaus Thüringens ist also auch ein Denkmal für den Durchbruch der Moderne im Einzelhandel.

Am 23. März 1908 war das KRK, an dessen Stelle sich zuvor das Hotel „Römischer Kaiser“ befunden hatte, als eines der größten und modernsten Kaufhäuser in Deutschland eröffnet worden. Die jüdische Unternehmerfamilie Tietz stand hinter dem Vorhaben, das ganz auf die neue Warenhaus-Philosophie ausgerichtet war. Der heute wieder hergestellte Lichthof mit seiner Glaskuppel oder die Weltkugel auf dem Dach als Wahrzeichen des gründerzeitlichen Prachtbaues setzten architektonische Akzente. Mit beeindruckender Leuchtreklame, großzügiger Schaufenstergestaltung, großangelegten Anzeigen- und Plakataktionen und Angebotswochen lockte man die Kunden erfolgreich an. Der an manch ähnlichen Werbefeldzug unserer Tage erinnernde „Triumpf der Billigkeit!“ traf schon damals genau den Nerv der Zeit.

Der Ansatz erwies sich auch in den Krisenzeiten nach dem Ersten Weltkrieg als richtig. 1926 musste sogar ein Erweiterungsbau in Richtung heutiger Juri-Gagarin-Ring in Angriff genommen werden. Die glitzernde Fassade der „Goldenen Zwanziger“ kann aber nicht über die Vorbehalte der Zeitgenossen hinwegtäuschen. Das Kaufhaus wurde besonders vom krisengeschüttelten Mittelstand auch als Bedrohung angesehen. Der Rechtsextremist Adolf Schmalix und die NSDAP nutzten dies zu übler Hetze gegen den „semitischen Einkaufstempel“, der sich im Besitz der jüdischen Kaufleute Siegfried Pinthus und Arthur Arndtheim befand. 1937 erfolgte die euphemistisch „Arisierung“ genannte Enteignung der Besitzer. 1948 in Volkseigentum überführt, bot das HO-Warenhaus bzw. CENTRUM-Warenhaus in der DDR-Zeit eine eher eingeschränkte Waren-Vielfalt an. Nach 1990 übernahm zunächst Hertie, dann Karstadt das Kaufhaus. Mit dem 2000 abgeschlossenen Umbau und der Erweiterung samt Parkhaus zur Einkaufgalerie „Anger 1“ ist Erfurt wieder wie vor einem Jahrhundert voll auf der Höhe der Einzelhandelsentwicklung. (Fotos: Alexander Raßloff, Stadtarchiv Erfurt)


Lesetipp:

Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik. Erfurt 2008.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, KRK in den "Goldenen Zwanzigern", Anger