Engelsburg Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen

Aus erfurt-web.de
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
(40 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
= Die Engelsburg =
= Die Engelsburg =


'''Humanisten- und Lutherstätte, seit 1968 Studentenclub/Studentenzentrum Engelsburg'''
'''Die bedeutende Humanisten- und Lutherstätte, eng verbunden mit "Poetenkönig" Helius Eobanus Hessus und den "Dunkelmännerbriefen", fungierte von 1968 bis 2016 als Studentenclub und Studentenzentrum Engelsburg.'''




[[Datei:Eburggasse.jpg|380px|right]]Die Humanistenstätte Engelsburg gehört zu den ältesten Gebäudekomplexen in '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]'''. Sie datiert zurück bis ins 12. Jahrhundert. Ihren Höhepunkt erlebte sie als Sitz des Humanistenkreises um "Poetenkönig" Helius Eobanus Hessus um 1520. Nach diversen Nutzungen konnte 1968 der Studentenclub Engelsburg eröffnet werden. Träger war bis 1993 die '''[[Medizinische Akademie Erfurt]]''', danach übernahm der gemeinnützige Verein Studentenzentrum Engelsburg e.V. die Betreibung.  
[[Datei:Eburggasse2.jpg|350px|right]]Die Humanistenstätte Engelsburg gehört zu den ältesten Gebäudekomplexen in '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]'''. Sie datiert zurück bis ins 12. Jahrhundert. Ihren Höhepunkt erlebte sie als Sitz des bedeutenden Erfurter Humanistenkreises um '''[[Helius Eobanus Hessus]]'''. Der Humanismus steht als große geistige Erneuerungsbewegung an der Schwelle zur Neuzeit um 1500. In Erfurt, Sitz der ältesten '''[[Universität Erfurt|Universität]]''' im heutigen Deutschland (1379), fasste der Humanismus seit dem späten 15. Jahrhundert Fuß.  


Die "Eburg" war nach umfassender Sanierung 1997-2000 mit Gewölbekeller, Café „DuckDich“, Gaststätte „Steinhaus“ und malerischem Biergarten eine der beliebtesten Adressen in der Altstadt. Sie bot, oft in Kooperation mit '''[[Universität Erfurt|Universität]]''', '''[[Fachhochschule Erfurt|Fachhochschule]]''' und anderen Partnern, ein breites Veranstaltungsangebot, bei dem auch nichtkommerzielle Kultur zum Zuge kam. Der Symbolort der alten Universität ist Sitz der '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt]]'''.
Von 1514 bis 1526 versammelte sich in der „Engelsburg“ der Humanistenkreis um „Poetenkönig“ Hessus, aus demn auch die berühmten '''[[Dunkelmännerbriefe Erfurter Humanistenkreis|Dunkelmännerbriefe]]''' mit hervorgingen. Förderer des Kreises und seit 1515 Besitzer der Engelsburg war der wohlhabende Arzt und Universitäts-Rektor Georg Sturtz. Der Hessus-Kreis begrüßte auch enthusiastisch die Reformation '''[[Martin Luther|Martin Luthers]]''', der als Freund von Sturtz und Hessus mehrfach in der Engelsburg zu Gast war.
Nach diversen Nutzungen konnte 1968 der Studentenclub Engelsburg eröffnet werden. Träger war bis 1993 die '''[[Medizinische Akademie Erfurt]]''', danach übernahm der Verein Studentenzentrum Engelsburg e.V. die Betreibung. Die "Eburg" war nach umfassender Sanierung 1997-2000 mit Gewölbekeller, Café „DuckDich“, Gaststätte „Steinhaus“ und malerischem Biergarten eine der beliebtesten Adressen in der Altstadt. Sie bot, oft in Kooperation mit '''[[Universität Erfurt|Universität]]''' und '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt|Universitätsgesellschaft]]''', ein breites Veranstaltungsangebot. 2016 wandelte sich das Studentenzentrum nach der Neuverpachtung durch den Stadtrat zum Kulturzentrum Engelsburg.


2016 hat der Erfurter Stadtrat die Engelsburg unter erhöhten Mietforderungen an einen neuen Betreiber vergeben, was für viel Widerspruch sorgte. Universitätsgesellschaft, Förderverein Humanistenstätte und andere Partner hatten sich in öffentlichen '''[[Erklärung_Zukunft_Engelsburg|Erklärungen]]''' für den Studentenzentrum-Verein ausgesprochen. Der Umgang der Stadt mit der Eburg zählte auch zu den Gründen für die Verleihung des Anti-Preises '''[[Thueringer_Kulturtuete|Thüringer Kulturtüte 2016]]'''. Mit der Gaststätte "Steinhaus" musste einer der beliebtesten studentischen Treffpunkte am 31. Dezember 2017 schließen, während sich der neue Betreiber weitgehend auf den Musikkeller konzentriert. Das 50. Gründungsjubiläum 2018 fand keine angemessene öffentliche Würdigung.
[[Datei:Bohlenstube.jpg|350px|right]]Eine besondere Attraktion der Engelsburg ist die in die Kirchhofgasse auskragende Bohlenstube des Hauses "Zum schwarzen Ross" aus der Zeit um 1462. Diese Holzstuben waren beheizbare Aufenthaltsräume und galten als Zeichen von Wohlstand. 1592 wurden unter anderem Vorhangmalereien an den Wänden und eine bemalte Kassettendecke eingefügt. 2011 initiierte die '''[[Universitätsgesellschaft Erfurt|Universitätsgesellschaft]]''' eine gründliche Restaurierung.  


 
Die Bohlenstube galt lange Zeit als Treffpunkt des Erfurter Humanistenkreises. Jüngere Forschungen ergaben jedoch, dass die Treffen wahrscheinlich in dem 1952 abgerissenen Haus in der Allerheiligenstraße stattfanden, wo heute der moderne Eingangsbereich steht. Dieses Gebäude trug ursprünglich den Namen „Zur Engelsburg“, der später auf den gesamten Komplex überging - und damit auch die Legende vom „Humanistenerker“.
'''Humanistenkreis und „Dunkelmännerbriefe“'''
 
Der Humanismus steht als große geistige Erneuerungsbewegung an der Schwelle zur Neuzeit. In Erfurt, Sitz der ältesten '''[[Universität Erfurt|Universität]]''' im heutigen Deutschland (1379), fasste der Humanismus seit dem späten 15. Jahrhundert Fuß. Von 1514 bis 1526 versammelte sich in der „Engelsburg“ der bedeutende Erfurter Humanistenkreis um „Poetenkönig“ '''[[Helius Eobanus Hessus]]'''. Förderer des Kreises und seit 1515 Besitzer der „Engelsburg“ war der wohlhabende Arzt und Universitäts-Rektor Georg Sturtz. Hier gingen trinkfeste Geselligkeit und humanistische Bildung mit ihrem Rückbezug auf die griechisch-römische Antike eine charakteristische Bindung ein. Der Hessus-Kreis begrüßte auch enthusiastisch die Reformation '''[[Martin Luther|Martin Luthers]]''', der als Freund von Sturtz und Hessus mehrfach in der Engelsburg zu Gast war.
 
Dauerhafte Bekanntheit hat der Erfurter Humanistenkreis durch die  '''[[Dunkelmännerbriefe Erfurter Humanistenkreis|Dunkelmännerbriefe]]''' erlangt, in denen die Kontroverse zwischen Humanisten und konservativen Gelehrten- und Kirchenkreisen kulminierte. Die „Epistolae obscurorum virorum“ (1515/17) stellen eine der treffendsten Satiren gegen die verknöcherte Scholastik und den lasterhaften Klerus des ausgehenden Mittelalters dar. Sie sind während des Streits um den bekannten Humanisten Johannes Reuchlin als fingierte Briefe an dessen Kölner Kontrahenten, den Theologen Ortwin Gratius entstanden. Zwar lassen sich die anonymen Verfasser nicht sicher belegen, doch gelten Crotus Rubeanus aus dem Hessus-Kreis und Ulrich von Hutten als Hauptautoren. Eines der wichtigsten Werke des Humanismus, dessen Titel bis heute für bissig-niveauvolle Satire steht, verbindet sich so mit der Engelsburg, einem Zentrum akademischer Geselligkeit.
 
 
'''Bohlenstube im Haus „Zum schwarzen Ross“'''
 
[[Datei:Bohlenstube.jpg|380px|right]]Bohlen- oder Holzstuben waren die beheizbaren Aufenthaltsräume der Wohngebäude, aus denen sich die „gute Stube“ entwickelte. Sie galten zugleich als Zeichen von Wohlstand, waren doch die mobilen Holzeinbauten recht teuer. Die Bohlenstube des „Schwarzen Rosses“ entstand um 1462. Mit der baulichen Veränderung des Gebäudes 1592 wurden u.a. Vorhangmalereien an den Wänden und die bemalte Kassettendecke eingefügt. 1953 erfolgte eine frei interpretierende Restaurierung der Deckenmalereien. Zugleich wurde die früher abgebrochene Ostwand neu errichtet und eine Renaissancetür eingebaut. Dank der von der Universitätsgesellschaft Erfurt initiierten Restaurierung im Jahre 2011 ist die Bohlenstube wieder der Öffentlichkeit zugänglich und kann als Beratungsraum genutzt werden.
 
Die Bohlenstube mit ihrem Erker zur Kirchhofsgasse (siehe Abb.) galt aufgrund einer Verwechslung lange Zeit als der Treffpunkt des Erfurter Humanistenkreises. Jüngere Forschungen ergaben jedoch, dass die Treffen wahrscheinlich in dem 1952 abgerissenen Haus in der Allerheiligenstraße stattfanden, auf dessen Grundmauern heute der moderne Eingangsbereich steht. Dieses Gebäude trug ursprünglich den Namen „Zur Engelsburg“, der im 20. Jahrhundert auf den gesamten Komplex überging. Auch wenn also die Legende vom „Humanistenerker“ widerlegt ist, zählen die Gebäude der heutigen „Engelsburg“ weiterhin „zu den historisch bedeutendsten Profanbauten Erfurts“ (Christian Misch). Das Anwesen behält seine Aura als Humanistenstätte mit enger Bindung an die älteste Universität Deutschlands. Die Bohlenstube vermittelt einen Eindruck, wie der lebensfrohe Kreis um Helius Eobanus Hessus in unmittelbarer Nachbarschaft tafelte. (Fotos: Studentenzentrum Engelsburg)


('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')
('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''')




Literaturtipps:
'''Lesetipps:'''
 
'''Steffen Raßloff: [[Erfurt. Die älteste und jüngste Universität Deutschlands]].''' Erfurt 2014 (2. Auflage 2017).
 
'''Steffen Raßloff: [[Geschichte der Stadt Erfurt Rassloff|Geschichte der Stadt Erfurt]].''' Erfurt 2012 (4. Auflage 2016).


Steffen Raßloff: '''[[Dunkelmännerbriefe_Erfurter_Humanistenkreis|Dunkelmänner. Der Erfurter Humanistenkreis]]'''. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 38 f.


Siehe auch: '''[[Engelsburg Serie|Presseserie zur Engelsburg]]''', '''[[Gedenktafel_Engelsburg|Gedenktafel Humanistenstätte]]''', '''[[Universitätsgesellschaft_Eburger|Engelsburg und Universitätsgesellschaft]]''', '''[[Medizinische Akademie Erfurt|Denkmal für die Medizinische Akademie]]''', '''[[Infotafeln_und_Film_Engelsburg|Schautafeln und Film zur Engelsburg]]''', '''[[Förderverein Humanistenstätte Engelsburg|Förderverein Humanistenstätte]]'''
Erich Kleineidam: '''Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt''' (Bd. 2). Leipzig 1968.


Almut Märker: '''Geschichte der Universität Erfurt 1392-1816.''' Weimar 1993.


'''''Thüringer Allgemeine''' vom 03.03.2018 (zum Lesen anklicken):''


[[Datei:TA.Eburg-3-3-18.jpg|420px|left]]
Siehe auch: '''[[Geschichte der Stadt Erfurt]]''', '''[[Engelsburg Serie|Presseserie zur Engelsburg]]''', '''[[Gedenktafel_Engelsburg|Gedenktafel Humanistenstätte]]''', '''[[Universitätsgesellschaft_Eburger|Engelsburg und Universitätsgesellschaft]]''', '''[[Medizinische Akademie Erfurt|Denkmal Medizinische Akademie]]''', '''[[Infotafeln_und_Film_Engelsburg|Schautafeln und Film zur Engelsburg]]'''

Version vom 5. Juni 2021, 07:53 Uhr

Die Engelsburg

Die bedeutende Humanisten- und Lutherstätte, eng verbunden mit "Poetenkönig" Helius Eobanus Hessus und den "Dunkelmännerbriefen", fungierte von 1968 bis 2016 als Studentenclub und Studentenzentrum Engelsburg.


Eburggasse2.jpg

Die Humanistenstätte Engelsburg gehört zu den ältesten Gebäudekomplexen in Erfurt. Sie datiert zurück bis ins 12. Jahrhundert. Ihren Höhepunkt erlebte sie als Sitz des bedeutenden Erfurter Humanistenkreises um Helius Eobanus Hessus. Der Humanismus steht als große geistige Erneuerungsbewegung an der Schwelle zur Neuzeit um 1500. In Erfurt, Sitz der ältesten Universität im heutigen Deutschland (1379), fasste der Humanismus seit dem späten 15. Jahrhundert Fuß.

Von 1514 bis 1526 versammelte sich in der „Engelsburg“ der Humanistenkreis um „Poetenkönig“ Hessus, aus demn auch die berühmten Dunkelmännerbriefe mit hervorgingen. Förderer des Kreises und seit 1515 Besitzer der Engelsburg war der wohlhabende Arzt und Universitäts-Rektor Georg Sturtz. Der Hessus-Kreis begrüßte auch enthusiastisch die Reformation Martin Luthers, der als Freund von Sturtz und Hessus mehrfach in der Engelsburg zu Gast war.

Nach diversen Nutzungen konnte 1968 der Studentenclub Engelsburg eröffnet werden. Träger war bis 1993 die Medizinische Akademie Erfurt, danach übernahm der Verein Studentenzentrum Engelsburg e.V. die Betreibung. Die "Eburg" war nach umfassender Sanierung 1997-2000 mit Gewölbekeller, Café „DuckDich“, Gaststätte „Steinhaus“ und malerischem Biergarten eine der beliebtesten Adressen in der Altstadt. Sie bot, oft in Kooperation mit Universität und Universitätsgesellschaft, ein breites Veranstaltungsangebot. 2016 wandelte sich das Studentenzentrum nach der Neuverpachtung durch den Stadtrat zum Kulturzentrum Engelsburg.

Bohlenstube.jpg

Eine besondere Attraktion der Engelsburg ist die in die Kirchhofgasse auskragende Bohlenstube des Hauses "Zum schwarzen Ross" aus der Zeit um 1462. Diese Holzstuben waren beheizbare Aufenthaltsräume und galten als Zeichen von Wohlstand. 1592 wurden unter anderem Vorhangmalereien an den Wänden und eine bemalte Kassettendecke eingefügt. 2011 initiierte die Universitätsgesellschaft eine gründliche Restaurierung.

Die Bohlenstube galt lange Zeit als Treffpunkt des Erfurter Humanistenkreises. Jüngere Forschungen ergaben jedoch, dass die Treffen wahrscheinlich in dem 1952 abgerissenen Haus in der Allerheiligenstraße stattfanden, wo heute der moderne Eingangsbereich steht. Dieses Gebäude trug ursprünglich den Namen „Zur Engelsburg“, der später auf den gesamten Komplex überging - und damit auch die Legende vom „Humanistenerker“.

(Dr. Steffen Raßloff)


Lesetipps:

Steffen Raßloff: Dunkelmänner. Der Erfurter Humanistenkreis. In: Erfurt. 55 Highlights aus der Geschichte. Erfurt 2021. S. 38 f.

Erich Kleineidam: Universitas Studii Erffordensis. Überblick über die Geschichte der Universität Erfurt (Bd. 2). Leipzig 1968.

Almut Märker: Geschichte der Universität Erfurt 1392-1816. Weimar 1993.


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Presseserie zur Engelsburg, Gedenktafel Humanistenstätte, Engelsburg und Universitätsgesellschaft, Denkmal Medizinische Akademie, Schautafeln und Film zur Engelsburg