Kanonenkugel 1813 Andreasstraße 31: Unterschied zwischen den Versionen
(Die Seite wurde neu angelegt: „= Kanonenkugel von 1813 = '''Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von [[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßlof…“) |
(kein Unterschied)
|
Version vom 21. Dezember 2013, 08:47 Uhr
Kanonenkugel von 1813
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (21.12.2013)
Symbol der Zerstörung
DENKMALE IN ERFURT (129): Eine Kanonenkugel in der Hauswand Andreasstraße 31 erinnert an die Beschießung Erfurts 1813.
Die meisten Passanten laufen wohl an dem ungewöhnlichen Denkmal in der Andreasstraße 31, Ecke Weiße Gasse vorbei. Oberhalb der Schaufenster eines Friseurs findet sich in die Wand eingelassen eine Kanonenkugel. Die Aufschrift „6. Nov. 1813“ deutet auf den historischen Hintergrund. An jenem Tag vor gut 200 Jahren wurde die Stadt Erfurt von rund 2500 solcher Geschosse getroffen. Dabei gingen ein Wohnviertel am Domplatz und das Peterskloster in Flammen auf. Die von Truppen Napoleons besetzte Stadt war nach der Völkerschlacht bei Leipzig seit dem 26. Oktober 1813 von Preußen, Österreichern und Russen belagert worden. Da die französischen Besatzer nicht kapitulieren wollten, hatten die Alliierten im Morgengrauen des 6. November mit jenem verheerenden Bombardement begonnen.
Wenn auch nur zwei Erfurter direkt dem Beschuss zum Opfer fielen, so hat sich doch die Belagerungszeit tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Rund 5000 Menschen fanden überwiegend durch Hunger und Krankheiten bis zur endgültigen Befreiung im Mai 1814 den Tod. Das Bombardement wurde dabei gewissermaßen zum Fanal für Tod und Zerstörung. Neben dem Petersberg war davon am meisten das Viertel rund um den Rubenmarkt betroffen, das sich bis 1813 auf dem nördlichen Domplatz etwa von Höhe der Domstufen an befand. Noch heute kann man dessen Lage anhand der unterschiedlichen Pflasterung des Domplatzes nachvollziehen. In der aktuellen Sonderausstellung des Stadtmuseums sowie in dem Buch „Die Belagerung von Erfurt“ von Frank Palmowski findet sich zudem eine detaillierte Rekonstruktion der einstigen Bebauung.
Einer der Anwohner, die damals mit dem Schrecken davon kamen, war Georg Friedrich Hühn. Er wohnte in der Andreasstraße 37, dem Eckgebäude zur Pergamentergasse gegenüber der heutigen Stadtbibliothek. In einem erhaltenen Bericht aus seiner Feder wird das Geschehen sehr lebendig: „Früh Morgens, als wir noch alle schliefen, kamen nach einigen Kanonenschüssen viele Haubitzgranaten und Bomben geflogen, welche ganz schrecklich knallten und zersprangen.“ Rasend schnell wurden die Häuser auf der gegenüber liegenden Straßenseite vom Feuer erfasst. Der bis in die Abendstunden andauernde Beschuss, der auch drei Blindgänger bei Hühn einschlagen ließ, behinderte zudem die Löscharbeiten. Während „unter dem schrecklichsten Geprassel“ ganze Straßenzüge vernichtet wurden, blieb Hühns Haus jedoch unversehrt. Zur Erinnerung an jene Ereignisse ließ er wie einige seiner Nachbarn eine Kanonenkugel in die Hauswand einmauern. Allerdings handelt es sich in der Andreasstraße 31 nicht mehr um die ursprüngliche Kugel, die vor einigen Jahren unbekannter Weise den Besitzer gewechselt hat.
Literaturtipp:
Steffen Raßloff: 100 Denkmale in Erfurt. Geschichte und Geschichten. Mit Fotografien von Sascha Fromm (Thüringen Bibliothek. Bd. 11). Essen 2013.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Beschießung 1813