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Michaeliskirche
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (09.11.2013)
Die strohernen Ritter
DENKMALE IN ERFURT (123): Die Michaeliskirche spielte als Universitätskirche und Schauplatz der Reformation eine wichtige Rolle.
Die Michaeliskirche in der gleichnamigen Straße ist eine Gründung patrizischer Bürger aus dem späten 12. Jahrhundert. Unter den einst mehr als 40 Kirchen im „Rom des Nordens“ zeichnete sie sich später als Kirche der Universität im lateinischen Viertel aus. Mit Luthers Predigt und dem Wirken Johannes Langs rückte die fortan evangelische Kirche zudem zu einem wichtigen Erinnerungsort der Reformation auf. Der ursprüngliche Bau hatte zwischen 1425 und 1451 um ein nördliches Seitenschiff und Emporen erweitert werden müssen. Um 1500 entstand die südlich anschließende Dreifaltigkeitskapelle, gestiftet von dem Weihbischof und Dekan Johannes Bonemilch von Laasphe.
Mit Gründung der ältesten Universität im heutigen Deutschland 1379 bekam die Michaeliskirche eine neue Funktion. Sie diente jetzt als Gotteshaus der Philosophischen Fakultät, die direkt gegenüber im Collegium maius, dem Hauptgebäude der Universität untergebracht war. Während der Reformationszeit wirkte hier Johannes Lang, der „Reformator Erfurts“, der dort seine letzte Ruhestätte fand. 1520 wurde die Kirche zum Schauplatz der ersten evangelischen Predigt in Erfurt. Am 21. Oktober 1522 predigte Luther selbst in der Michaeliskirche, die er als Student von 1501 bis 1505 häufig besucht haben dürfte. Er polemisierte gegen die Verfechter des alten Glaubens und der scholastischen Lehre an der Universität. Sie seien „stroherne Ritter“, die nur nach weltlichen Ehren und Gütern strebten. Diese Angriffe waren umso spektakulärer, als sie direkt in der Höhle des Löwen vorgetragen wurden.
Am 9. Februar 1945 erfolgte jener verheerende Bombenangriff der US Air Force, dem das Collegium maius zum Opfer fiel. Auch der benachbarten Kirche wurden schwere Schäden zugefügt. Der Bau konnte nach dem Krieg jedoch gesichert werden und verkam nicht zur Ruine. Umfassende Sanierungen machten 1960 die Nutzung als Kirche wieder möglich. Seit 1973 von der Evangelischen Stadtmission verwaltet, sorgte die Kirche seit 1987 durch kritische Ausstellungen zum Stadtumbau und zu Umweltproblemen in der DDR für Aufsehen. Dies wies bereits auf die wichtige Rolle der Evangelischen Kirche während der friedlichen Revolution 1989 voraus. Seit der Wiedergründung der Universität 1994 übt die Michaeliskirche auch wieder die Funktion einer Universitätskirche aus. Vielfältige Veranstaltungen erhalten dieses wichtige Denkmal der Erfurter Geistes- und Reformationsgeschichte lebendig. Neben einem Besuch des Kircheninneren mit der rekonstruierten Compenius-Orgel lohnt auch ein Blick in den pittoresken Kirchhof.