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Version vom 10. August 2013, 11:41 Uhr
Mikwe
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (03.08.2013)
Verborgenes Ritualbad
DENKMALE IN ERFURT (110): Die Mikwe gehört zum jüdischen Erbe Erfurts, das erst in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt wurde.
Die Wiederentdeckung des mittelalterlichen jüdischen Erbes in den letzten zwei Jahrzehnten gehört zu den großartigsten Kapiteln der Erfurter Kulturgeschichte. Vielleicht trägt es unserer Stadt sogar den Titel eines UNESCO-Weltkulturerbes ein. Das Besondere dabei war nicht nur die Bedeutung der aus jahrhundertelangem Dunkel aufgetauchten Baulichkeiten und Kunstschätze, die in einmaliger Dichte die alte jüdische Gemeinde wieder lebendig machen. Zugleich gehört die Fundgeschichte selbst mit zum Spektakulärsten, was die Archäologie zu bieten hat. Die Wiederentdeckung der Alten Synagoge nach der Wende 1989 ist das wohl aufregendste Beispiel. Man kann sich angesichts des heutigen schmucken Museums kaum noch vorstellen, dass die Synagoge bis in die 1990er Jahre völlig verbaut und bis zur Unkenntlichkeit überformt einen langen Dornröschenschlaf schlief.
Manchmal half auch Kollege Zufall. So im Falle der Mikwe, des rituellen Tauchbades der Gemeinde nördlich der Krämerbrücke am Kreuzsand. Es ist in schriftlichen Quellen seit dem 13. Jahrhundert erwähnt und wurde bis zur endgültigen Vertreibung der jüdischen Gemeinde im 15. Jahrhundert genutzt. Danach geriet das Tauchbad in Vergessenheit. Die Wohnhäuser am Kreuzsand wurden nach 1945 abgerissen und eine Grünanlage angelegt. Was blieb, war die befestigte Uferböschung, hinter der sich die Keller der einstigen Häuser verbargen. Im Frühjahr 2006 brach jedoch ein Teil jener Ufermauer ein. Das Landesamt für Denkmalpflege entdeckte nun nach intensiven Grabungen die Mikwe. Das geschah in buchstäblich letzter Sekunde: nur einen Tag später sollten die Bauarbeiten für die Neugestaltung der Uferzone beginnen. Sofort waren sich Stadt und Denkmalpfleger über die Bedeutung des Fundes einig. 2011 konnte der moderne Schutzbau mit Einblick zum Tauchbecken inmitten einer umgestalteten Grünanlage eingeweiht werden.
Jenes Ritualbad war mit Synagoge und Friedhof unerlässliches Element einer jüdischen Gemeinde im Mittelalter, die so in Erfurt wieder komplett erlebbar ist. Die Mikwe wurde überwiegend von Frauen genutzt, weshalb auch vom „Frauenbad“ die Rede ist. Sie diente zur kultischen Reinigung nach Berührung mit Toten, mit Blut oder anderem, in religiösem Sinne Unreinen. Frauen hatten deshalb regelmäßig etwa nach der Menstruation oder nach Geburten im Bad unterzutauchen. Auch Geschirr wurde hier symbolisch gereinigt. Die Mikwe musste von Quell- oder Grundwasser gespeist werden, das durch die Nähe zur Gera ausreichend vorhanden ist. Noch heute funktioniert die Wasserversorgung, wobei der Wasserstand im Becken jedoch niedriger ist als im Mittelalter.
Siehe auch: Jüdisches Erbe in Erfurt, Geschichte der Stadt Erfurt