Kaiserstatuen Rathaus Erfurt: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 27. April 2013, 08:15 Uhr
Kaiserstatuen am Rathaus
Beitrag der Serie Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeine von Dr. Steffen Raßloff (27.04.2013)
Barbarossa und Barbablanca
DENKMALE IN ERFURT (95): Zwei verschwundene Standbilder am Rathaus verbanden einst den Barbarossa-Mythos mit Kaiser Wilhelm I.
Der Abriss des mittelalterlichen Rathauses am Fischmarkt seit 1830 wäre heute nicht mehr denkbar. Auch damals schon gab es zahlreiche Proteste von geschichtsbewussten Bürgern. Dennoch wurde der neogotische Neubau, dessen Einweihung erst 1875 erfolgte, zum architektonischen Symbol der Erfurter Stadtgeschichte. Anspielungen auf Dom und Augustinerkloster sowie generell die Wahl einer neogotischen Formensprache stehen für die mittelalterliche Blütezeit Erfurts. Dies setzt sich im Inneren etwa mit den historistischen Wandbildern fort. Dabei fällt auf, dass neben dem Stolz der Mittelaltermetropole auch das selbstbewusste Preußentum der Erfurter seinen Ausdruck fand. Ist dies bis heute noch durch manches Detail nachvollziehbar, so fehlt doch seit 1945 ein wesentliches Element.
Im November 1876 hatte die Stadt Erfurt ihr kurz zuvor fertiggestelltes Rathaus mit zwei monumentalen Sandsteinfiguren verziert. Auf Konsolen zwischen den Festsaalfenstern waren von Prof. Georg Kugel aus Ruhla gefertigte Statuen zu sehen, die einen der populärsten Mythen des Deutschen Kaiserreiches von 1871 aufgriffen. Kugel hatte im Auftrag der Stadt Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-90) und Kaiser Wilhelm I. (1871-88) abgebildet. Damit wollte man symbolisch das verklärte alte Kaiserreich des Mittelalters mit dem neuen preußisch-kleindeutschen Nationalstaat von 1871 in Verbindung setzen. Auf diesem Wege sollte zugleich der neuen Kaiserdynastie der Hohenzollern eine weit zurückreichende Traditionslinie verschafft werden. Dies erklärt auch das ungewöhnliche Äußere Wilhelms I., der wie ein mittelalterlicher Herrscher mit Krone, Schwert und Umhang dargestellt ist. Die meisten der späteren Kaiser-Wilhelm-Denkmale zeigen ihn dagegen zeitgemäß mit preußischer Uniform und „Pickelhaube“. So war er auch am einstigen Kaiserplatz (Karl-Marx-Platz) hoch zu Pferde zu sehen.
Die symbolische Verknüpfung von Barbarossa („Rotbart“) und Barbablanca („Weißbart“) gewann nach dem Tode Kaiser Wilhelms I. weiter an Popularität. Mit dem Kyffhäuser-Denkmal fand sie 1896 ihren monumentalsten Ausdruck. Der „Reichsgründer“ von 1871 hatte, so die Aussage, den alten Barbarossa-Mythos erfüllt. Seine zunehmende nationalistische Instrumentalisierung brachte den Rotbart-Weißbart-Mythos jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg in Verruf. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Sowjetarmee am 3. Juli 1945 wurden die Statuen am Erfurter Rathaus entfernt. Laut Kunsthistorikerin Ruth Menzel hatte man die beiden 2,80 Meter hohen Sandsteinfiguren am 4. Juli von ihren Sockeln gestürzt, wobei sie auf dem Fischmarkt zerschellten.