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Das Nordbad war bei seiner Errichtung 1925 eines der größten und modernsten Freibäder Deutschlands. Im Geiste der | [[Datei:NordbadZwanziger.jpg|380px|right]]Das Nordbad im '''[[Nordpark Erfurt|Nordpark]]''' war bei seiner Errichtung 1925 eines der größten und modernsten Freibäder Deutschlands. Im Geiste der '''[[Weimarer Republik|Goldenen Zwanziger]]''' diente es der „Hebung der Volksgesundheit“ im Norden der Stadt. Nach umfassender Sanierung 2010 kann die beliebte Freizeiteinrichtung diese Aufgabe auch zukünftig erfüllen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich '''[[Geschichte der Stadt Erfurt|Erfurt]]''' zu einer pulsierenden Industriegroßstadt entwickelt. 1906 wurde die 100.000-Einwohner-Grenze überschritten, die Stadt dehnte sich in alle Richtungen aus. Freilich gestaltete sich dies sozial sehr differenziert. Während sich Löber- und Dreienbrunnenfeld zum „gutbürgerlichen Südwesten“ mit vielen imposanten Villenbauten entwickelten, wurde der Norden zur Arbeitervorstadt. | ||
Der Norden, im Volksmund „Blechbüchsenviertel“ genannt, geriet zum Brennpunkt der „sozialen Frage“ im Kaiserreich. Die bürgerlichen Stadtväter reagierten hierauf neben der politischen Ausgrenzung der '''[[SPD Erfurt|SPD]]''' auch mit sozialen Reformprojekten. Hierzu zählte die Verbesserung des Lebensumfeldes der Arbeiter etwa durch den '''[[Gedenktafel_Ferdinand_Schmidt|Erfurter Spar- und Bauverein]]''', der in der Auenstraße von 1898-1912 einen großen Wohnkomplex errichtete. Unmittelbar nördlich anschließend begann die Stadt kurz vor dem Ersten Weltkrieg 1914/18 mit der Anlage eines Kaiser-Wilhelm-Parkes, dem späteren Nordpark. | |||
Der | In der '''[[Weimarer Republik]]''' wurden diese sozialen Verbesserungskonzepte verstärkt aufgegriffen. Der 1913 beschlossene '''[[Nordpark Erfurt|Nordpark]]''' erhielt jetzt seine Form als großzügiger Landschaftspark, der bis heute von der Bevölkerung intensiv für Sport und Erholung genutzt wird. Komplettiert wurde die „grüne Lunge“ des Nordens durch eines der ambitioniertesten Bauprojekte der „Goldenen Zwanziger“ in Erfurt, das Nordbad. Ganz im Geiste jener Jahre sollte es zur „Hebung der Volksgesundheit“ dienen, wie in der Thüringer Allgemeinen Zeitung im Juli 1925 kurz vor der Eröffnung am 12. August zu lesen war. Verantwortlich zeichnete Stadtbaurat Ludwig Boegl. Mit dem Nordbad wurde eine neue Ära eingeleitet. Gab es bisher nur die kleinen, nach Geschlechtern getrennten Bäder im Süden (Dreienbrunnenbad, Espachbad) und Flussbäder, so präsentierte sich das Nordbad nunmehr als großzügige Einrichtung für die ganze Familie. In einem Bildband von 1927, der die Erfolge des „neuen Bauens“ in Erfurt präsentiert, heißt es zum Nordbad, dass es nach seiner kompletten Fertigstellung mit Eingangs- und Sozialgebäude im Bauhausstil 1929 „eine Musteranlage darstellen und zu den schönsten Freibädern unseres Vaterlandes gehören“ würde. | ||
Sofort stieg das Nordbad zu einer der beliebtesten Freizeiteinrichtungen der Stadt auf, zählte schon 1926 über 370.000 Besucher. Auch der Schwimmsport fand eine Heimstatt, hochrangige Wettkämpfe bis hin zu deutschen Meisterschaften und Ländervergleichen waren zu erleben. Die Tribüne fasste 3000 Zuschauer. Mit den 1953 abgetrennten 50-Meter-Bahnen diente das Bad auch der in der nahen Lutherschule eingerichteten Kinder- und Jugendsportschule (KJS) als Trainingsstätte. Zu den großen Sportlern, die im Nordbad ihre Karriere im wahrsten Wortsinne anbahnten, gehörte die Schmetterling-Europameisterin von 1954 Jutta Langenau. | |||
Die jahrzehntelange Nutzung auf Verschleiß führte jedoch 2006 zur Schließung des Bades und Überlegungen seitens des Betreibers, der Erfurter Stadtwerke, es gar gänzlich aufzugeben. Daraufhin gründete sich ein Förderverein, der große öffentliche Wirkung erzielte. Unterschriftensammlungen, Demonstrationen und emotionale Diskussionsabende lenkten den Blick auf den drohenden Verlust einer der wichtigsten Sport- und Freizeiteinrichtungen. 2008 entschloss sich der Stadtrat unter den Augen dieser breiten Bürgerbewegung zur Sanierung des Bades. In die große Freude der Wiedereröffnung am 24. Juni 2010 mischte sich allerdings auch das Bedauern, dass für die schmucke neue Anlage das Eingangsgebäude von 1929 geopfert wurde. Ausgerechnet zu Beginn des '''[[Bauhausjubiläum_2009|Bauhausjahres 2009]]''' erfolgte trotz vieler Proteste aus der Bevölkerung, von Denkmalschützern und Erfurter Geschichtsverein der Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes im Bauhausstil. (Foto: Stadtarchiv Erfurt) | |||
('''[[Steffen Raßloff|Dr. Steffen Raßloff]]''') | |||
Siehe auch '''[[Baeder und Badeanstalten|Bäder und Badeanstalten]]''', '''[[Weimarer Republik|Erfurt in der Weimarer Republik]]''', '''[[Nordpark Erfurt|Nordpark]]''' |
Aktuelle Version vom 8. Februar 2024, 10:24 Uhr
Nordbad Erfurt
Erfurts größtes Freibad im Nordpark wurde 1925 im Rahmen des ambitionierten Städtebaus der "Goldenen Zwanziger" eröffnet.
Das Nordbad im Nordpark war bei seiner Errichtung 1925 eines der größten und modernsten Freibäder Deutschlands. Im Geiste der Goldenen Zwanziger diente es der „Hebung der Volksgesundheit“ im Norden der Stadt. Nach umfassender Sanierung 2010 kann die beliebte Freizeiteinrichtung diese Aufgabe auch zukünftig erfüllen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich Erfurt zu einer pulsierenden Industriegroßstadt entwickelt. 1906 wurde die 100.000-Einwohner-Grenze überschritten, die Stadt dehnte sich in alle Richtungen aus. Freilich gestaltete sich dies sozial sehr differenziert. Während sich Löber- und Dreienbrunnenfeld zum „gutbürgerlichen Südwesten“ mit vielen imposanten Villenbauten entwickelten, wurde der Norden zur Arbeitervorstadt.
Der Norden, im Volksmund „Blechbüchsenviertel“ genannt, geriet zum Brennpunkt der „sozialen Frage“ im Kaiserreich. Die bürgerlichen Stadtväter reagierten hierauf neben der politischen Ausgrenzung der SPD auch mit sozialen Reformprojekten. Hierzu zählte die Verbesserung des Lebensumfeldes der Arbeiter etwa durch den Erfurter Spar- und Bauverein, der in der Auenstraße von 1898-1912 einen großen Wohnkomplex errichtete. Unmittelbar nördlich anschließend begann die Stadt kurz vor dem Ersten Weltkrieg 1914/18 mit der Anlage eines Kaiser-Wilhelm-Parkes, dem späteren Nordpark.
In der Weimarer Republik wurden diese sozialen Verbesserungskonzepte verstärkt aufgegriffen. Der 1913 beschlossene Nordpark erhielt jetzt seine Form als großzügiger Landschaftspark, der bis heute von der Bevölkerung intensiv für Sport und Erholung genutzt wird. Komplettiert wurde die „grüne Lunge“ des Nordens durch eines der ambitioniertesten Bauprojekte der „Goldenen Zwanziger“ in Erfurt, das Nordbad. Ganz im Geiste jener Jahre sollte es zur „Hebung der Volksgesundheit“ dienen, wie in der Thüringer Allgemeinen Zeitung im Juli 1925 kurz vor der Eröffnung am 12. August zu lesen war. Verantwortlich zeichnete Stadtbaurat Ludwig Boegl. Mit dem Nordbad wurde eine neue Ära eingeleitet. Gab es bisher nur die kleinen, nach Geschlechtern getrennten Bäder im Süden (Dreienbrunnenbad, Espachbad) und Flussbäder, so präsentierte sich das Nordbad nunmehr als großzügige Einrichtung für die ganze Familie. In einem Bildband von 1927, der die Erfolge des „neuen Bauens“ in Erfurt präsentiert, heißt es zum Nordbad, dass es nach seiner kompletten Fertigstellung mit Eingangs- und Sozialgebäude im Bauhausstil 1929 „eine Musteranlage darstellen und zu den schönsten Freibädern unseres Vaterlandes gehören“ würde.
Sofort stieg das Nordbad zu einer der beliebtesten Freizeiteinrichtungen der Stadt auf, zählte schon 1926 über 370.000 Besucher. Auch der Schwimmsport fand eine Heimstatt, hochrangige Wettkämpfe bis hin zu deutschen Meisterschaften und Ländervergleichen waren zu erleben. Die Tribüne fasste 3000 Zuschauer. Mit den 1953 abgetrennten 50-Meter-Bahnen diente das Bad auch der in der nahen Lutherschule eingerichteten Kinder- und Jugendsportschule (KJS) als Trainingsstätte. Zu den großen Sportlern, die im Nordbad ihre Karriere im wahrsten Wortsinne anbahnten, gehörte die Schmetterling-Europameisterin von 1954 Jutta Langenau.
Die jahrzehntelange Nutzung auf Verschleiß führte jedoch 2006 zur Schließung des Bades und Überlegungen seitens des Betreibers, der Erfurter Stadtwerke, es gar gänzlich aufzugeben. Daraufhin gründete sich ein Förderverein, der große öffentliche Wirkung erzielte. Unterschriftensammlungen, Demonstrationen und emotionale Diskussionsabende lenkten den Blick auf den drohenden Verlust einer der wichtigsten Sport- und Freizeiteinrichtungen. 2008 entschloss sich der Stadtrat unter den Augen dieser breiten Bürgerbewegung zur Sanierung des Bades. In die große Freude der Wiedereröffnung am 24. Juni 2010 mischte sich allerdings auch das Bedauern, dass für die schmucke neue Anlage das Eingangsgebäude von 1929 geopfert wurde. Ausgerechnet zu Beginn des Bauhausjahres 2009 erfolgte trotz vieler Proteste aus der Bevölkerung, von Denkmalschützern und Erfurter Geschichtsverein der Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes im Bauhausstil. (Foto: Stadtarchiv Erfurt)
Siehe auch Bäder und Badeanstalten, Erfurt in der Weimarer Republik, Nordpark