Feiertag 1. Mai

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Feiertag 1. Mai

Vom Kampftag der Arbeiter zum Feiertag für alle - der 1. Mai im Wandel der Zeit


Für viele Erfurter ist der 1. Mai ein Feiertag ohne große Bedeutung. Seine Anfänge liegen im Dunkel, zum Feiertag machte ihn ausgerechnet Adolf Hitler und in der DDR-Zeit verkam der „Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse“ zur Zwangsveranstaltung. Ein Blick in die Geschichte legt jedoch durchaus aktuelle Bezüge frei.


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Der 1. Mai als Tag der Arbeiterbewegung hat seine Wurzeln in den USA. 1886 riefen Arbeiterorganisationen zur Durchsetzung des Achtstundentags zum Generalstreik am 1. Mai auf. Es kam darauf zu Massenstreiks und Demonstrationen mit blutigen Ausschreitungen. Die Zweite Internationale erklärte darauf 1889 den 1. Mai zum „Kampftag der Arbeiterbewegung“. In Erfurt griff man den neuen Brauch sofort auf. Nach bescheidenen Anfängen 1890 entwickelte sich der 1. Mai zum wichtigsten Symboltag des sozialdemokratischen Arbeitermilieus. Vormittags trafen sich die Mutigsten zum demonstrativen „Spaziergang“ ins Umland, oft in den Steiger. Am Abend kamen bis zu 2000 Teilnehmer zu den offiziellen Maiveranstaltungen meist im „Tivoli“ zusammen. Dabei galt es im Kaiserreich harten Widerstand von Staat und Unternehmern zu überwinden. Stets war die Polizei zum harten Durchgreifen bereit, mehrfach wurden Arbeiter entlassen, weil sie sich am 1. Mai frei genommen hatten.

Erst die Nationalversammlung der Weimarer Republik erklärte den 1. Mai 1919 zum Feiertag, so wie sie auch den Achtstundentag einführte. Jedoch wurden viele der sozialen Neuerungen bald aufgeweicht, der Feiertag schon 1920 wieder abgeschafft. Dies bestärkte die kritische Sicht auch vieler Arbeiter auf die Republik. Endgültig zum Feiertag wurde der 1. Mai erst 1933 unter der NS-Diktatur als „Tag der nationalen Arbeit“. Die Betriebe marschierten früh mit ihren Unternehmern an der Spitze zum Domplatz, wo sich 50.000 Männer versammelten. Am Abend verfolgten 100.000 Menschen die Rundfunkübertragung der Berliner Maifeier im Stadion. Die Presse meldete: „Man darf sagen, daß fast die ganze Stadt auf den Beinen war und daß Erfurt wohl noch nie eine derartige Kundgebung gesehen hat, an der alle, von den Spitzen der Behörden bis zum einfachen Arbeiter, im einenden Gefühl der Zusammengehörigkeit teilnahmen.“ Beeindruckt von den Ereignissen mag sich selbst mancher Gewerkschafter Illusionen gemacht haben. Doch schon am Morgen des 2. Mai besetzten Polizei und SA alle Gewerkschaftshäuser und verhafteten Tausende Funktionäre. In Erfurt wurden sie vom Gewerkschaftshaus („Volkshaus“) in der Johannesstraße durch die Stadt getrieben und in das Gefängnis auf dem Petersberg verschleppt – ein Vorgeschmack kommender Verbrechen.

In der DDR-Zeit führte die SED den 1. Mai wieder auf seine ursprüngliche, „linke“ Bedeutung zurück. Freilich verkam der Feiertag zusehends zum inhaltsleeren Ritual. Mit mehr oder weniger sanftem Druck wirkten Partei- und Betriebsleitungen auf die Werktätigen ein, an den Aufmärschen vorbei an prominenzbesetzten Tribünen teilzunehmen. Vielen Erfurtern sind die Märsche über den Juri-Gagarin-Ring, geschmückt mit roten Nelken im Revers, noch in Erinnerung, die nicht selten einen feuchtfröhlichen Ausklang im Kollektiv fanden. Nach der friedlichen Revolution 1989/90 mutierte der 1. Mai zum weitgehend privaten Feiertag. In letzter Zeit bekam der einstige Kampftag der Arbeiterklasse durch Arbeitslosigkeit, Sozialabbau und Globalisierungsängste jedoch wieder mehr Bedeutung als traditioneller Protesttag der „kleinen Leute“. In jüngster Vergangenheit stand in Erfurt mehrfach im Vordergrund, eine erneute Instrumentalisierung des 1. Mai durch die extreme Rechte zu verhindern.

(Dr. Steffen Raßloff)


Siehe auch: Geschichte der Stadt Erfurt, Erfurt und die SPD